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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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allzu gern hätte Hannah geglaubt, dass sie überreagierte. Mit ein bisschen Glück ging es ihm bestens, und er trieb sich irgendwo in einem gottverlassenen Speicher oder Keller auf der Spur muffiger Bücher herum. Doch tief in ihrem Herzen befürchtete Hannah, dass seine Glückssträhne vorbei war.
    Ein Prozess gegen die beiden Verdächtigen würde allein auf Indizien beruhen. Die Teams von Hannah und Fern sahen sich der schwierigen Aufgabe gegenüber, genügend Beweismaterial heranschaffen zu müssen, um den Staatsanwalt erst einmal davon zu überzeugen, das Paar überhaupt vor Gericht zu stellen. Aber bereits als sie ihre Theorie noch einmal mit Greg Wharf durchsprach, fiel Hannah auf, dass sie selbst von Minute zu Minute fester daran glaubte. Die beiden hatten gemeinsam Bethany Friend, Georg Saffell und Stuart Wagg getötet.
    Die langsam aufkeimende Erfolgsgewissheit erinnerte Hannah an einen Karfreitag vor vielen Jahren, als Marc und sie über das Internet einen in Einzelteile verpackten Schrank gekauft hatten. Als sie das Paket öffneten, schienen die einzelnen Komponenten in keinerlei Beziehung zueinander zu stehen. Mit der Gebrauchsanweisung in japanischer Sprache konnten sie nichts anfangen, die zugehörigen Diagramme waren kryptischer als die Beale-Chiffre. Sie hatten viele Stunden benötigt, aber Hannah erinnerte sich noch ihres gemeinsamen Triumphs, als sie schließlich doch noch herausfanden, wie die Teile zusammengesetzt werden mussten, um am Ende etwas annähernd Möbelähnliches zu erhalten. Marc hatte sie ins Bett getragen, um ihren Erfolg gebührend zu feiern. Am Tag ihres Umzugs nach Undercrag hatten sie den Schrank in einem Müllcontainer entsorgt.
    Was aber trieb Cassie und Arlo an? Hannah vermutete eine sogenannte folie à deux, die wahnhafte Störung zweier Menschen, die sich durch ihre psychotische Verbindung gegenseitig in immer bedrohlichere Wahnzustände treiben. Um die Richtigkeit der These herauszufinden, musste man die beiden Verdächtigen trennen und sie unabhängig voneinander verhören, damit sie sich nicht mehr gegenseitig unterstützen konnten. Angesichts ihrer Beziehung zu Marc sah Hannah keine Möglichkeit, selbst an den Verhören von Cassie oder Arlo teilzunehmen, denn das wäre ein gefundenes Fressen für die Verteidiger. Sie konnte nur noch eins tun: Marc finden und sicherstellen, dass er sich von dieser Frau fernhielt, die böse, verrückt und gefährlich war.
    Der Nebel hatte für einen erheblichen Stau auf der A591 gesorgt. Hannah zwang sich zur Geduld. Gebe Gott, dass sich alles nur als falsche Fährte erwies. Doch sie schuldete es Marc, das herauszufinden.
    Hannah fuhr nach Hause, nach Undercrag. Sie brauchte die Gewissheit, dass ihr Lebensgefährte Cassie
    nicht in ihr Haus mitgenommen hatte, um dort den Treuebruch zu begehen.
***
    Als Marc zu würgen begann, riss der Mann ihm das Klebeband vom Mund. Es tat weh. Marcs Augen füllten sich mit Tränen. Dann übergab er sich auf den Felsboden unter seinen Füßen.
    »Du sagst nicht einen Ton, verstanden?«, herrschte der Mann ihn an. »Ich habe keine Lust auf ein Gespräch, sondern wollte nur verhindern, dass du an deinem Erbrochenen erstickst. Es ginge zu schnell und wäre zu einfach.«
    Das war Ro. Er musste es sein. Aber eigentlich war es Arlo Denstone, der Experte für Thomas de Quincey. Marc verstand nichts mehr - außer dass er in großer Gefahr schwebte. Der Mann hatte ihn hergebracht, damit er hier seinen Tod fand.
    Seine Lippen formten ein einziges Wort.
    Warum?
    »Erklärungen nützen nichts«, sagte Ro. »Leben und Tod, wie könnte man sie erklären? De Quincey wusste, wie mein Ziel aussieht. Virginia Woolf hat einmal gesagt, dass er von der mysteriösen Feierlichkeit gewisser Gefühle ganz durchdrungen war. Davon, dass der Wert eines einzelnen Augenblicks über den von fünfzig Jahren hinausgehen kann. Er war ein leidenschaftlicher Mensch, dieser Thomas, aber er bezog seinen Kick durch das, was er schrieb, nicht aus dem, was er tat. Darin liegt ein gewisser Unterschied zwischen uns; trotzdem könnte ich schwören, dass er mein Faible für grotesken Horror teilen würde. Mein Schicksal ist es, Albträume wahr werden zu lassen - so wie sich auch meine eigenen verwirklicht haben.«
    Der Hund äußerte ein schläfriges Geräusch - eine Art kehliges Grollen.
    Ro machte eine Kopfbewegung zu ihm hin.
    »Eine bösartige Kreatur. Ich habe ihn illegal gekauft, aber das ist nicht mein einziges Verbrechen. Ich habe ihm

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