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Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Titel: Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Maggies Alter, aber es stimmte, sie hatte sich Zeit gelassen. Sie war Optikerin. Sie und ihr Mann waren Geschäftspartner gewesen, und sie hatten mit den Kindern gewartet, bis sie ein Haus auf dem Land besaßen und Maggie die Praxis verlassen konnte.
    Maggies Haar hatte die Farbe von Pfeffer und Salz und war raspelkurz geschnitten. Sie war groß, flachbrüstig, fröhlich und rechthaberisch. Lloyd nannte sie die Lesbe. Natürlich nur hinter ihrem Rücken. Am Telefon blödelte er mit ihr herum, flüsterte aber Doree unhörbar zu: »Es ist die Lesbe.« Das beunruhigte Doree nicht weiter – er nannte viele Frauen Lesben. Aber sie hatte Angst, sein Geblödel könnte Maggie übertrieben freundlich vorkommen, aufdringlich oder zumindest wie Zeitverschwendung.
    »Sie wollen meine Alte sprechen. Doch, die’s hier. Schrubbt gerade auf dem Waschbrett. Ich bin nämlich ein richtiger Sklaventreiber. Hat sie Ihnen das gesagt?«
     
    Doree und Maggie gewöhnten sich an, zusammen Lebensmittel einzukaufen, nachdem sie die Unterlagen in der Schule abgeholt hatten. Danach holten sie sich manchmal im Tim Horton’s Kaffee und fuhren mit den Kindern zum Riverside Park. Sie saßen auf einer Bank, während Sasha und Maggies Jungen herumtollten oder im Kletternetz hangelten und Barbara Ann sich auf der Schaukel ins Zeug legte und Dimitri im Sandkasten spielte. Oder sie blieben im Bus sitzen, wenn es zu kalt war. Sie redeten hauptsächlich über die Kinder und das, was sie kochten, aber irgendwie fand Doree heraus, dass Maggie vor ihrer Ausbildung zur Optikerin durch Europa getrampt war, und Maggie fand heraus, wie jung Doree gewesen war, als sie heiratete. Auch, wie leicht sie anfangs schwanger geworden war und jetzt nicht mehr, was Lloyd misstrauisch machte, so dass er ihre Kommode nach Antibabypillen durchsuchte – überzeugt, sie müsse sie heimlich nehmen.
    »Und tun Sie’s?«, fragte Maggie.
    Doree war schockiert. Sie sagte, das würde sie nicht wagen.
    »Ich meine, ich fände es schrecklich, das zu tun, ohne es ihm zu sagen. Wenn er danach sucht, dann ist das bloß so zum Scherz.«
    »Ach, ja?«, sagte Maggie.
    Und einmal fragte Maggie: »Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Ich meine, in Ihrer Ehe? Sind Sie glücklich?«
    Doree sagte ja, ohne zu zögern. Danach wurde sie vorsichtiger mit dem, was sie erzählte. Sie merkte, es gab Dinge, an die sie gewöhnt war, die aber jemand anders vielleicht nicht verstand. Lloyd hatte eine bestimmte Sichtweise auf alles; so war er eben. So war er schon, als sie ihn im Krankenhaus kennenlernte. Die Oberschwester war eine steife, unnahbare Person, also nannte er sie Mrs Eisblock statt bei ihrem richtigen Namen, Mrs Heslock. Er sagte es so undeutlich, dass man es fast nicht mitbekam. Er war der Ansicht, dass sie sich ihre Lieblinge aussuchte und dass er nicht dazu gehörte. Jetzt gab es jemanden in der Eiscremefabrik, den er verachtete, jemand, den er Schwanzlutscher-Louie nannte. Den richtigen Namen des Mannes kannte Doree nicht. Aber zumindest bewies es ihr, dass er sich nicht nur von Frauen provoziert fühlte.
    Doree war sich ziemlich sicher, dass diese Leute nicht so schlimm waren, wie Lloyd dachte, aber es hatte keinen Zweck, ihm zu widersprechen. Vielleicht mussten Männer einfach Feinde haben, so, wie sie ihre Witze machen mussten. Und manchmal machte Lloyd die Feinde wirklich zu Witzen, geradeso, als lache er über sich selbst. Sie durfte sogar mitlachen, Hauptsache, sie lachte nicht als Erste.
    Sie hoffte, er würde sich nicht so gegen Maggie wenden. Ab und zu geriet sie in Angst, weil sie so etwas kommen sah. Wenn er sie daran hinderte, mit Maggie zur Schule und zum Einkaufen zu fahren, dann wäre das ein großes Problem. Aber noch schlimmer wäre die Schande. Sie würde eine blöde Lüge erfinden müssen, um alles zu erklären. Aber Maggie würde Bescheid wissen – zumindest würde sie wissen, dass Doree log, und wahrscheinlich würde sie daraus schließen, dass Doree in einer schlimmeren Situation war als tatsächlich. Maggie hatte ihre eigene nüchterne Art, die Dinge zu sehen.
    Dann wieder fragte sich Doree, warum sie überhaupt wichtig nehmen sollte, was Maggie denken könnte. Maggie war eine Außenstehende, nicht mal jemand, bei dem sich Doree besonders wohl fühlte. Lloyd und Doree und die Kinder, darauf kam es an. Das sagte Lloyd, und er hatte recht. Die Wahrheit der Dinge zwischen ihnen, das Verbindende, das konnte niemand anders verstehen, und das ging niemand anders etwas

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