GK0200 - Das Todeskarussell
Die Flasche zerplatzte mit einem satten Knall an der Mauer. Scherben regneten zu Boden, blieben im Schlamm stecken. Der Betrunkene schielte auf die Überreste der vor wenigen Minuten noch vollen Ginflasche.
Nichts mehr.
Ende.
Er hatte sie mit drei Schlucken geleert.
Ken Kovac rülpste. Die Mauer vor ihm geriet in Bewegung, schaukelte nach links und rechts, um dann zu zerfließen. »Bin ich breit!« stöhnte Kovac. Er lehnte sich vor und stützte den rechten Arm gegen die Mauer.
»Durchatmen!« ächzte er, »nur durchatmen.«
Kovac hatte schon ein gewisses Training erlangt. Er war nicht zum erstenmal randvoll und wußte genau, wie er sich zu verhalten hatte. Ken Kovac war Gelegenheitsarbeiter. Er war tschechischer Abstammung, war aus seinem Heimatland geflüchtet, hatte aber in England nie richtig Fuß fassen können. Mehr schlecht als recht schlug er sich durchs Leben. Bis vor einem Tag noch hatte er auf einer Tankstelle gearbeitet, doch dann war wieder der große Durst gekommen, und Gin vertrug sich nun mal nicht mit Arbeit. Kovac war rausgeflogen. Ein Grund für ihn, sich wieder zu besaufen. Und jetzt war die letzte Ginflasche leer, und auch in Kovacs Taschen klimperte nicht ein Shilling.
Scheißleben! dachte er.
Ken Kovac stellte sich wieder aufrecht hin. Langsam ging es ihm besser. Er war ein geübter Schlucker, und eine Flasche Gin warf ihn nicht um.
Nur die Gegend, in der er gelandet war, die gefiel ihm gar nicht. Es war irgendein Platz, auf dem mit Planen abgedeckte Wagen standen, auch Buden und Stände.
Ja, so etwas gab es eigentlich nur auf einem Jahrmarkt.
Und dann das Karussell!
Es stand in der Mitte des Platzes. Ein altes verrostetes Ding. Ein Kinderkarussell, mit holzgeschnitzten Figuren, Pferden, kleinen Gondeln und Schaukeln auf der runden Plattform. Holzpfosten, vom Rand der Plattform in die Höhe ragend, trugen das Dach. Die Farbe an den Pfosten war abgeblättert, das Holz hatte Fäulnis angesetzt. Eine verrostete Glocke schaukelte im Nachtwind. Der Klöppel fehlte.
Ken Kovac hustete, rülpste und wischte sich über den Mund. Ein dümmliches Grinsen überzog plötzlich sein breites Gesicht. Schwankend steuerte er das Karussell an. Seine Füße zogen breite Schleifspuren in den Schlamm.
Erst vor einer Viertelstunde hatte der Regen aufgehört. Regen und ein warmer Westwind machten aus dem Winter einen Vorfrühling. Schnee fiel kaum noch.
Kovac hatte das Karussell erreicht. Er stützte sich an einem Pfosten ab.
»Los, fahr doch«, sagte er. »Komm, ich will einsteigen. Setz dich in Bewegung!« Er begann zu kichern und vollführte mit der linken Hand eine weitausholende Bewegung. »Ihr – ihr könnt alle umsonst fahren. Los, aufsteigen.«
Er selbst machte den Anfang. Schwerfällig hob er das rechte Bein und stieg auf die Plattform. Vor sich sah er ein altes Holzpferd. Der Lack war zum größten Teil abgesplittert, jemand hatte mit einem harten Gegenstand ein Stück Holz aus der Flanke geschlagen. Kovac lachte. »Jetzt werde ich euch zeigen, wie ich reiten kann«, murmelte er. Er umklammerte den Hals des Holzpferdes und wollte sich auf den Rücken schwingen.
Kovac landete neben dem Pferd.
»Mist!« fluchte er. Aus glasigen Augen peilte er zwischen den Beinen des Pferdes hindurch. Dicht neben sich sah er eine kleine Gondel. Daran zog er sich hoch, blieb einen Augenblick lang stehen – und plötzlich wurden seine Augen groß.
Er stand so, daß er auf den Turm des Karussells sehen konnte. Und dieser Turm veränderte sich. Ein seltsames Leuchten hüllte ihn ein. Er stand in einer gleißenden Helle, die Ken Kovac blendete. Kovac schüttelte den Kopf, hielt seine Hand schützend vor die Augen. Er merkte kaum, daß sich das Karussell anfing zu drehen. Plötzlich bimmelte die Glocke.
Gelächter erklang.
Kindergeschrei, Musik.
Menschen waren da.
Und das Karussell drehte sich immer schneller. Kovac verlor den Halt, wurde zur Seite geschleudert, konnte sich im letzten Augenblick aber noch festhalten – und fuhr mit.
Aber er war nicht allein auf der Plattform. Kovac hatte Mitfahrer.
Schreckliche, grauenhafte Gestalten.
Monster, Fabelwesen, Skelette! Sie alle hatten sich zu dem Höllenreigen vereint.
In einer Gondel saßen zwei Vampire. Ihre weiten Umhänge flatterten im Wind. Blut tropfte von ihren Zähnen. Sie hatten die Krallen nach einem Mädchen ausgestreckt, das sich mit angstverzerrtem Gesicht an einen Pfosten klammerte.
Zwei Werwölfe waren dabei, sich gegenseitig zu
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