Das Maedchen und der Magier
PROLOG
Nicht, dass Chase Quinn Ärger mehr mochte als andere Männer. Es war nur so, dass ihm der Ärger nachzulaufen und erstaunlich oft auch einzuholen schien.
Man musste kein Genie sein, um zu wissen, dass er am Rande des Abgrunds wandelte, als er an jenem Morgen zur Tucker Mine hinaus fuhr. Aber Chase hatte noch nie einer Herausforderung widerstehen können.
Und ein hundert Jahre alter Fluch war ziemlich verlockend.
Nur Narren gehen hier hinein, lautete er. Stelle dich dem, das du am meisten fürchtest.
Was immer das bedeutete.
„Die Mine bringt kein Glück", hatte Chase' Bühnenmanager erst vor einigen Tagen gesagt.
„Im letzten Jahr soll ein Freund von Rafe Johnson den Kopf hineingesteckt haben und kahl wie ein Babypopo wieder herausgekommen sein."
Chase glaubte nicht an so etwas wie Vorbestimmung. Das taten nur Verlierer. Die standen herum, warteten darauf, dass ein Blitz sie traf oder aber ihr Lotterielos gezogen wurde.
Gewinner nahmen ihr Schicksal in die Hand und waren selbst für ihr Glück verantwortlich.
Chase gehörte zu den Gewinnern.
Seit dem Tag, an dem er auf seiner alten Harley in Vegas angekommen war, hatte er Aufsehen erregt. Er besaß schnelle Hände und einen noch schnelleren Mund, und sechs Monate später füllte er mühelos den größten Saal des neuesten Hotels am „Strip". Er zauberte Tauben aus Seidentüchern hervor, zersägte hübsche Frauen und ließ ausgewachsene Männer verschwinden. Dafür bekam er jede Woche mehr Geld, als sein Vater im ganzen Leben verdient hatte.
Nicht, dass sein Vater sich jemals dafür interessiert hätte. Nicht einmal dann, als sämtliche Nachbarn ihm zu seinem erfolgreichen Sohn gratulierten. Nein, das einzige, was Frank Quinn interessierte, war die nächste Flasche Whiskey. Chase hatte die ersten sechzehn Lebensjahre damit verbracht, um die Anerkennung seines Vaters zu kämpfen, und die zweiten sechzehn Jahre damit, so zu tun, als wäre es ihm egal, dass er sie nie bekommen hatte.
Aber das lag jetzt hinter ihm. Jetzt war es ihm egal, was sein Vater oder irgendjemand anderes von ihm hielt. Die einzige Anerkennung, die er noch brauchte, war die, die ihm jeden Abend entgegenschlug, wenn er die Bühne betrat und mit seinen Zaubertricks das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Er war auf der Überho lspur, auf dem Weg zum Starruhm, und es gab nichts und niemanden, der ihn aufhalten konnte. Schon gar nicht eine Frau.
Er wusste alles über Versprechen im Dunkel der Nacht, Versprechen, die galten, bis die Sonne aufging und die Leidenschaft verflog. Er hatte sogar Verständnis dafür. Schließlich war nicht einmal seine eigene Mutter lange genug geblieben, um zu sehen, was aus ihm wurde.
Peg Quinn hatte sich bei erster Gelegenheit abgesetzt, und seitdem hielt Chase jedes Gerede von Liebe für leeres Geschwätz.
Ewige Liebe gab es nicht. Manchmal überdauerte sie nicht einmal die Nacht. Und das war okay so, wenn man von vornherein akzeptierte, dass ein Mann sich nicht für die Ewigkeit versprechen konnte, wenn er nicht einmal an das Morgen glaubte.
Das einzige, auf das man sich verlassen konnte, war man selbst. Das Leben bot einem immer nur eine Chance, nie eine zweite, also nutzte er jede, bevor es zu spät war.
Genau deshalb fuhr er an diesem Tag zur Tucker Mine hinaus. Hundert Jahre lang war der Bergwerksstollen fester verschlossen gewesen als die Schlafzimmertür einer alten Jungfer. Im letzten Monat hatte ein Unternehmen die Mine und das sie umgebende Gelände gekauft, um dort einen Vergnügungspark zu errichten. Leider hatten die neuen Eigentümer nicht mit der Macht eines alten Fluchs gerechnet.
„Diese dämlichen Städter", hatte Chase' Assistentin gemurmelt. „Warum bleiben sie nicht, wo sie hingehören?"
Henry Henneman, Generaldirektor des Unternehmens, hatte an die sem Morgen zu einer Pressekonferenz eingeladen. Man munkelte, dass er die Journalisten in den Schacht führen wollte, um ein für allemal zu beweisen, dass kein Fluch darauf lastete.
„Großartige Idee", sagte sich Chase, als er die schwarze Harley aufröhren ließ, um vor Henneman am Ort des Geschehens zu sein und ihm die Show zu stehlen.
Auf der anderen Seite der Stadt schreckte Jenna Grey aus dem Schlaf. Mit wild klopfendem Herzen setzte sie sich auf. Es war nur ein Alptraum gewesen, noch dazu ein dummer.
Schließlich hatte sie bisher keinen Gedanken an die verlassene Mine außerhalb der Stadt verschwendet.
Sie setzte sich auf, atmete tief durch und versuchte,
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