Zuckerguss (German Edition)
ich endlich wieder in Hannover. Dann werde ich mich mit Feuereifer auf mein Studium konzentrieren und mich am Morgen über Moritz’ wechselnde Liebschaften ärgern. Alles wie immer. Normalität. Genau das, was ich jetzt brauche.
Mit einem Ruck ziehe ich den Reißverschluss zu. Das war’s. Das Ende einer turbulenten Woche, die mein bisheriges Leben gehörig durcheinandergewirbelt hat. Nichts ist mehr wie zuvor. In Bezug auf mein Studium bin ich froh, dass meine Eltern Bescheid wissen und auch relativ gelassen damit umgehen. Der Rest wird sich finden. Irgendwie.
»Du machst es dir zu leicht«, sagt Eva. Sie schlägt ihre langen Beine grazil übereinander und betrachtet mich intensiv. »Findest du nicht, dass du noch einmal mit David reden solltest?«
»Nein.« Erstens habe ich oft genug mit ihm geredet und rausgekommen ist nichts dabei, zweitens halte ich ein weiteres Gespräch dieser Art nicht mehr aus. »Zwischen uns ist alles gesagt.«
»Wenn es um Beziehungen geht, musst du noch einiges lernen, Schwesterherz«, seufzt sie theatralisch.
Ich rolle mit den Augen, als Eva die große Schwester mit der noch größeren Erfahrung raushängen lässt.
»Du magst David, sehr sogar«, fährt Eva ungerührt fort. Sie lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sie an meinem Geisteszustand zweifelt.
»Das steht hier nicht zur Debatte. Und selbst wenn, David und ich, wir hatten nie eine Chance.«
Eva zieht bedeutungsvoll ihre Augenbrauen hoch. Und dann sagt sie das, wovor ich mich die ganze Zeit insgeheim gefürchtet habe. »Gib zu, dass du Wismar lieben gelernt und für einen Moment mit dem Gedanken gespielt hast, zurückzukommen und mit David glücklich zu sein.«
»So ein Unsinn!«, empöre ich mich gereizt. »Das Kleinstadtleben ist echt das Letzte. Oder warum denkst du, bin ich damals geflohen?«
»Damals gab es andere Gründe, das weißt du genau. Wenn du wirklich gewollt hättest, wärst du längst abgehauen. Bist du aber nicht. Du kannst zwar aus Wismar davonlaufen, vor deinen Gefühlen aber nicht, und das weißt du!«
»Tja«, meine ich nur, »vielleicht, aber daran lässt sich arbeiten.«
»Miriam, du weißt, ich liebe dich, aber dass du jetzt wegläufst, das kann ich nicht verstehen.«
»Ich weiß«, flüstere ich mit schwerer Stimme. Eva ist auf dem besten Weg, mich meine Entscheidung überdenken zu lassen. Das darf nicht geschehen. Unter keinen Umständen.
»Willst du dich nicht wenigstens von Olli und Lissy verabschieden?«
Ich schüttele vehement den Kopf. »Mit Olli und Lissy werde ich telefonieren, die beiden haben momentan eh genug mit sich selbst zu tun.«
Eva atmet tief durch. Resigniert. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
Das hoffe ich auch.
Mit einem wehmütigen Lächeln drücke ich meine große Schwester an mich, ehe ich mit meinem Koffer nach unten trotte, wo Fabrizio bereits auf mich wartet, um mich zum Bahnhof zu fahren.
27
»Musst du dich nach der heißen Nacht abkühlen?« Mit gerunzelter Stirn betrachte ich meinen halbnackten Mitbewohner, der, nur mit Boxershorts bekleidet, vor der offenen Kühlschranktür steht. Er hält einen Tetrapack Milch in der Hand und guckt mich unschlüssig an.
»Du bist schon zurück?« Moritz stellt den Milchkarton in den Kühlschrank zurück und zündet sich eine Zigarette an.
»Wie du siehst.«
»Wie lief es im Prüfungsamt?«, will er wissen und fläzt sich in einen Korbstuhl, die Beine auf den Rand der Spüle gelegt. Ich rümpfe vielsagend die Nase. Moritz macht eine Unschuldsmiene und stößt einen dicken Rauchkringel aus.
»Alle Unterlagen sind abgegeben. Jetzt warte ich auf den Bescheid, wann ich offiziell mit meiner Magisterarbeit beginnen kann.« Der ganze Papierkram hat mich die letzten Tage Millionen von Nerven gekostet. Zeugnisse raussuchen, Kopien der Leistungsnachweise machen, Studienbericht verfassen. Ich bin schon vor dem ersten Wort meiner Magisterarbeit fix und fertig.
»Streberin.«
»Du solltest dir an mir ein Beispiel nehmen.«
»Und das grandiose Studentenleben aufgeben? Keine Chance.«
»Faule Socke«, erwidere ich grinsend. »Wie du mit dieser Einstellung deinen Abschluss bekommen willst, ist mir schleierhaft.«
»Ich sag ja, Streberin.« Moritz drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und öffnet die Kühlschranktür ein zweites Mal. »Hatten wir nicht irgendwo Sprühsahne?«
»Wozu brauchst du frühmorgens Sprühsahne?«
Moritz schaut mich mit diesem verführerischen Don-Juan-Blick an, bei dem ihm sämtliche Frauen
Weitere Kostenlose Bücher