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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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Spritze bekam, hatte sie den Kopf abgewandt. Als wenn der Schmerz geringer ist, wenn man den Einstich nicht sieht. “Nicht so unsicher”, ermahnte Schwester Margot sie freundlich, “geben Sie sich einen Ruck. Trauen Sie sich zu, daß Sie es können.” Gaby hatte trocken geschluckt und auf das gespannte Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger gesehen. Die Poren wurden glatt gezogen und kleine blonde Härchen richteten sich auf. Die hauchdünne Nadel lag mit der Öffnung nach oben auf ihrer Haut. Sie faßte die Spritze fester und drückte die Nadel in ihr Fleisch. Wie weich es ist, war ihr erster Eindruck, weich und nachgiebig. Es tat gar nicht weh. Langsam schob sie den Kolben der Spritze nach unten, so daß die Flüssigkeit austreten konnte. Dann zog sie die Nadel wieder zurück. “Gut gemacht”, lobte Schwester Margot. “Sie sehen, man kann alles, wenn man nur will.”
    Ja, sie wollte dieses Kind bekommen. Hubert wollte dieses Kind. Wenn ein Mann ein Kind von einer Frau wollte, liebte er sie. Er hatte sie zur Mutter seines Kindes ausgewählt. Er wußte, wie schwer es für sie war, noch einmal schwanger zu werden. Er wußte, wie sehr sie unter den beiden Fehlgeburten gelitten hatte.
    Wenn er sie in der Nacht umarmte, fühlte sie, daß er sie liebte. “Mehr als alles auf der Welt”, sagte er. “Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Ich brauche dich. Ich will noch ein Kind von dir.” Gaby war glücklich. Er brauchte sie. Er hatte sie genauso nötig wie sie ihn. Mit diesem Kind würde alles gut werden. Sie konnte ihm noch einmal beweisen, daß sie alles für ihn tun wollte. Auch noch einmal ein Kind zu bekommen.
    Jeden Morgen, noch bevor sie einen Fuß aus dem Bett gesetzt hatte, mußte sie eine Tasse Tee mit einem Löffel Zucker trinken und eine Schnitte Brot mit dünn Butter essen. Für Gaby, die morgens eine ganze Zeit nötig hatte, um richtig wach zu werden, eine Qual. “Versuche es doch zu genießen”, sagte Ursel. “Ich habe von meinem Mann noch nie Frühstück ans Bett gebracht bekommen.”
    “Es ist für mich weniger ein Frühstück als Medizin. Ich finde es schrecklich, daß ich, noch bevor ich meine Zähne geputzt und geduscht habe, essen und trinken muß. Und kaum habe ich das hinter mir, muß ich mich auf die Bettkante setzen, die Spritze aufziehen und hinein damit.” — “Du weißt ja, wofür du es tust.” Ursel lächelte ihr liebevoll zu. “Ich habe dir von der Konditorei Albers ein Stück Diabetiker-Torte mitgebracht. Du sagst doch, daß du jetzt immer so einen Gieper auf etwas Süßes hast.” — “Als wenn verbotene Früchte süßer schmeckten”, seufzte Gaby. “Alles, was ich nicht darf, erscheint mir jetzt so verlockend.” — “Eine strenge Diät ist ja auch kein Pappenstiel. Du darfst ja nicht nur wenig Zucker essen, sondern auch das ganze salzarme Zeug”, Ursel schüttelte sich. “Ich weiß nicht, ob ich das könnte.” Sie schenkte ihr eine Tasse Pfefferminztee ein. “Hier, dein Kuchen. Laß ihn dir gut schmecken.” — “Du bist ein Schatz”, sagte Gaby und genau das fühlte sie auch. Unter all ihren Freundinnen war Ursel ein fester Fels in der Brandung. Immer ruhig, ausgeglichen und dabei liebevoll und bereit zuzuhören. Nicht, daß Gaby ihr intime Dinge anvertrauen konnte. Da war vieles, über daß sie mit niemandem reden konnte. Aber wenn sie je mit jemand über etwas mehr als über oberflächliche Dinge sprechen wollte, dann waren es Ursel und Jean. Wo Jean resolut und betont burschikos reagierte, ließ Ursel ihr Gefühl sprechen. Von ihr ging soviel Wärme aus, daß Gaby sich wie ein Kind in den breiten Stuhl kuschelte und sich von ihr verwöhnen ließ. Für eine Stunde war alles Unsichere und Undeutliche aus ihrem Leben verschwunden. Sie saß bei Ursel, trank Pfefferminztee, schob genußvoll ein Stückchen Torte nach dem anderen in den Mund und erzählte von Natalie, die die ganze Nacht mit einer Kerze unter der Bettdecke gelesen hatte. “Ein großes Loch in der Bettdecke, weil die Kerze umfiel.” Von Manfred, der in der Schule schon wieder einen Tadel bekommen hatte. “Er hat die Französischlehrerin eine blöde Ziege genannt.” Von Daniel, der zweimal in der Woche in den Kindergarten ging und es genoß, mit anderen kleinen Kindern zu spielen. “Nur beim ersten Mal hat er ein paar Tränen vergossen. Jetzt strampelt er vor Vergnügen, wenn ich mit dem Auto vor dem Kindergarten halte.” — “Mit Daniel habt ihr wirklich Glück gehabt”,

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