Zug der Traeume
Kette, Joshie!«, sagt sie und führt seine Hand an das Lederband um ihren Hals. Er findet die Perlen dort und beginnt, vollkommen vertieft daran herumzufingern.
»Du warst einige Male mit ihm aus.« Dann verfällt Lisa in ein Flüstern. »Du
schläfst
mit ihm. Also bist du seine Freundin.«
Ich verdrehe die Augen und gehe ins Wohnzimmer, und Lisa nimmt Josh hoch und folgt mir. Als sie sich neben mich auf den beigefarbenen Teppich setzt, wirft er sich in meinen Schoß und fängt an, den Po hoch und runter zu bewegen wie eine Raupe.
»Was soll das denn werden?«, fragt Lisa.
»Keine Ahnung, aber in letzter Zeit macht er das andauernd.«
Er hebt den Kopf und grinst, dann steht er auf und wackelt davon, auf Zerstörung aus. Ich muss ihn bald füttern, wenn ich einen Trotzanfall vermeiden will. Danach ist es Zeit für seinen Mittagsschlaf, und Lisa und ich können an dem Outfit für mein nächstes Date arbeiten.
Am Dienstag treffe ich mich mit Tyler im Heizraum der Big Boy, der größten und stärksten Dampflokomotive, die je gebaut wurde – ich habe recherchiert. Ich hoffe, der Heizraum ist schmutzig und heiß. Ich habe jede Menge schmutzige und heiße Ideen.
»Wenn ich sage: ›Er betrügt dich nicht‹, meine ich, dass ich Soo Yun gefragt habe und sie mir gesagt hat, dass sie nicht zusammen sind. Das verstehst du schon, oder?«, meint Lisa.
»Nein«, antworte ich langsam. »Das habe ich nicht verstanden. Warum solltest du das tun?«
»Weil du ihn magst.«
Das stimmt. Ich mag ihn. Aber es ist eine ganz blöde Idee.
»Mach das nicht noch mal!«
»Warum stellst du dich bei dem Kerl so komisch an? Du willst nicht, dass ich mich über ihn erkundige, du gibst nicht zu, dass du ihn magst, und du gehst immer nur zu diesen bizarren Rollenspieltreffen, bei denen du ihm weder deinen Nachnamen noch sonst irgendetwas Wichtiges über dich verrätst.«
»Weiß ich nicht.«
Doch, ich weiß es. Ich will es nur nicht erklären.
»Ich habe ihn gegoogelt«, sagt sie. »Soll ich dir sagen, was ich rausgefunden habe?«
»Nein.«
»Er war auf dem College in …«
»Halt die Klappe!« Ich stecke mir die Finger in die Ohren, weil ich weiß, dass sie sich nicht beirren lassen wird.
Und richtig. Ich höre sie »Marquette« sagen und dann »Bürgerkrieg« und muss »lalalalala« singen, um sie zu übertönen.
Josh findet das lustig und kommt zurückgerannt, stürzt sich auf mich und haut mir auf den Rücken. Er zieht mein T-Shirt hoch und legt seine Wange an meinen Bauch. Mein Bauch ist für ihn so was wie sein Schmusetuch, was in der Öffentlichkeit ziemlich peinlich werden kann.
Ich streichele ihm über sein seidiges schwarzes Haar. Er sieht aus wie Paiges Mann, was ich tröstlich finde. Es wäre schwerer, wenn er wie meine Schwester aussehen würde.
Als Lisas Mund aufhört, sich zu bewegen, nehme ich die Finger aus den Ohren.
»Du solltest ein echtes Date mit ihm ausmachen«, sagt sie zu mir.
»Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es die Regeln auf den Kopf stellen würde.«
»Schwaches Argument.«
Ich weiß. Aber es ist etwas komplizierter, denn als ich ihm begegnet bin, wollte ich seine Flüchtigkeit. Ich brauchte ihn als den Fremden im Zug, der zum Leben erwacht, wenn ich aus meinem Auto steige, und wieder daraus verschwindet, wenn ich gehe.
Eine Zeit lang gab er mir genau, was ich brauchte. Nur dass ich irgendwann mal nicht aufgepasst habe und begann, etwas anderes zu brauchen.
Ich weiß nicht genau, was es ist, doch ich glaube nicht, dass ich es von Tyler bekommen kann. Er kennt mich nicht. Er
will
mich gar nicht kennen. Als er mich auf der Party gesehen hat, leuchtete kein Anzeichen des Erkennens in seinen Augen auf. Seine Lippen verzogen sich nicht zu einem Lächeln, das sagte:
Da bist du ja. Dein wahres Ich.
Für ihn war es ein Spiel. Es war immer nur ein Spiel gewesen.
Und das wusste ich natürlich. Er hat all diese Profile auf die Seite der Partnerbörse gestellt, seine Art zu fragen:
Will jemand mitspielen?
Ich habe mich gemeldet. Seinen Regeln zugestimmt. Ich kann sie jetzt wohl kaum ändern.
Josh steht auf, stolpert, fällt hin. Eine Sekunde liegt er still, auf dem Teppich ausgestreckt, als wäre er sich nicht ganz sicher, wie er da hingekommen ist. Dann stemmt er sich hoch und grinst mich an, und ein langer Spuckefaden fällt zu Boden.
Kleinkinder sind schon eine eklige Angelegenheit.
Ich hebe ihn hoch und klopfe ihm mit liebevollem Nachdruck auf sein Windelpaket. Er windet sich
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