Zug der Traeume
1
Er wartet immer am Tor auf mich. Schwungvoll öffnet sich die Schranke, und ich fahre im Schneckentempo hindurch. Ich schaue nicht nach links, wo er steht. Ich will noch nicht wissen, wer er ist.
Bis ich in den Zug steige, ist er niemand Bestimmtes.
»Sitzen meine Nähte gerade?«, frage ich, während ich im Gang des Zuges kurz stehen bleibe, den Fuß neige und die Zehenspitzen strecke. Über die Schulter hinweg werfe ich ihm einen Blick zu. Koketterie pur.
Heute Abend bin ich Marilyn Monroe aus
Manche mögen’s heiß
. Ich habe Lisa beschwatzt, mir das schwarze Satinkleid zu nähen, und noch Fransen von einem Flapper-Kostüm daran befestigt, das ich bei Goodwill gefunden habe. Lisa sagt, in dem Kleid sieht mein Hintern aus wie zwei Hundewelpen, die sich unter einer Decke balgen.
Die Glut in seinen Augen verrät mir, dass das gut ist.
Er trägt eine Lederjacke, Schiebermütze und mein Gepäck. Wenn wir in meinem Abteil angekommen sind, werde ich ihm ein Trinkgeld geben, und er wird mich auf seine unwiderstehliche Art angrinsen.
Sein Name ist Rocky. Ich habe mich beim Überreichen meiner Hutschachtel danach erkundigt.
Er ist fast einen Kopf größer als ich, sein Körper schlank und durch harte Arbeit gestählt. Ich kann es kaum erwarten, ihn ohne Kleider zu sehen.
Ich schenke ihm ein Lächeln, auch eine Form von Zuwendung. »Na?«
Er schüttelt den Kopf, als würde ich etwas Schmerzhaftes mit ihm machen, womit ich aufhören soll. Aber alles, was er sagt, ist: »Die Nähte sitzen gerade, Ma’am.«
Also bin ich heute »Ma’am«. Das gefällt mir.
Ich gehe davon aus, dass ich dann auch die Führung übernehme, doch da liege ich falsch.
Sobald wir die schmale Tür zum Abteil passiert haben, ist er bei mir, seine Hände umspannen meine Taille und gleiten über die Wölbung meiner Hüfte. Seine raue Haut bleibt an dem glatten Stoff meines Kleides hängen. Er berührt mit den Lippen den Puls an meinem Hals und verweilt dort. Ich höre ihn einatmen, tief, fast andächtig.
Ich habe dich auch vermisst.
Und dann wandert sein Mund nach unten, noch weiter, bis er die eingeengte Schwellung meiner Brüste erreicht.
»Sagen Sie, wenn ich aufhören soll, Ma’am!«
Ich will mein Bein heben und es um seine Hüfte schlingen, aber ich kann überhaupt nichts heben. Ich trage ein Kleid, das entworfen wurde, um darin herumzustöckeln. Ich weiß es, denn ich habe es selbst entworfen.
»Sie sind ganz schön dreist.« An meinen Brustwarzen kann ich durch den Satin hindurch das Lächeln auf seinen Lippen spüren. Wie er mich neckt.
»Sind Sie verheiratet, Ma’am?« Er richtet die Frage an mein Dekolleté.
»Spielt das für Sie eine Rolle?«
»Mit verheirateten Frauen fange ich nichts an.« Er hebt dabei den Kopf, und sein Hundeblick ist düster und schwermütig. Seine Mütze ist heruntergefallen. Ich sehe sie zwischen unseren eng beieinanderstehenden Füßen auf dem Boden liegen. Glenncheck-Wolle zwischen ausgelatschten Cordovan-Oxfords und zweifarbigen Pumps mit Schleifen über den Zehen.
Ich habe Tage gebraucht, um die richtigen Schuhe zu finden.
»Ein Flegel mit Prinzipien.« Ich fahre ihm mit den Fingern durchs Haar. Er hat es glatt nach hinten gekämmt, doch ich lockere es. Ich mag es, wenn es ihm ins Gesicht fällt. »Köstlich.«
»Wer sagt denn, dass ich ein Flegel bin?«
Er packt meinen Hintern, und seine langen Finger befinden sich schon fast da, wo ich sie haben will. Aber nur fast.
»Junge, Junge«, sage ich mit einem Atemstoß, lege den Kopf nach hinten an die Wand und schließe langsam die Augen. »Ich kann nur hoffen, dass Sie ein Flegel sind.«
Ich stelle mir vor, wie die Zugwand an meinem Rücken vibriert, während er mir den Satin von den Schultern schält und mich mit seinem Mund berührt. Sich auf die Knie fallen lässt und das Kleid über meine Hüften schiebt. Die Fransen sollten eigentlich ein Hindernis darstellen, doch er gehört zu den Männern, die mit ein paar lächerlichen Fransen klarkommen.
Aber ein Flegel ist er eigentlich nicht unbedingt.
Die Babysitterin ist krank, und ich hasse sie.
Ich weiß, ich bin ein schlechter Mensch. Am Telefon klingt sie so bemitleidenswert, heiser und verschnupft, dass ich mich genötigt fühle, sie auch noch zu trösten. Es kommt mir vor wie emotionale Erpressung. Warum muss ich nett zu ihr sein, wenn sie mir den Tag verdirbt?
»Ich kann trotzdem kommen, wenn Sie wollen.« Eigentlich meint sie:
Ich will im Bett bleiben und Wiederholungen von
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