Zum Küssen schön
einziger Freund er war.
“Was werdet ihr unternehmen?”, fragte sie.
“Ich bin nicht sicher. Zunächst einmal müssen wir sehen, ob er alle nötigen Impfungen erhalten hat.”
“Das hat er. Sein Besitzer hat es mir versichert, nachdem er seinen Hund von mir loskriegen konnte.”
Daniel zuckte zusammen und fluchte leise, und sie glaubte fast, so etwas wie Mitgefühl in seinem Gesicht zu erkennen. Unmöglich, dachte Lacy verblüfft.
“Ich kann nicht glauben, dass du nicht wütend bist.” Während er sprach, trat er hinter sie und hob das Laken hoch.
Sie wünschte, sie wäre tot gewesen. Sie wollte ihm befehlen, die Augen zu schließen oder den Blick abzuwenden. Sie hasste es, vor diesem Mann so hilflos zu sein. Also fing sie an draufloszuplappern, um sich abzulenken.
“Ich bin natürlich nicht froh darüber, dass ich gebissen wurde, aber es war ein Unfall. Der Hund ist normalerweise nicht gefährlich. Im Grunde ist er noch gar nicht ausgewachsen, nur eben so verflixt groß. Vielleicht sollte er zu einem Hundetrainer gebracht werden, um Disziplin zu lernen. Er ist sonst immer ein so netter Hund. Und … au!”
“Tut mir leid.”
Er klang ganz und gar nicht so, als ob es ihm leidtäte, und sie sah ihn vorwurfsvoll an. “Das hat wehgetan!”
“In einer Minute spürst du nichts mehr.” Zum Kuckuck mit ihm, er nahm den Blick einfach nicht von ihrem Po. “Übrigens, wie bist du hierhergekommen?”
Sie wusste, er fragte sie das nur, um sie abzulenken, und sie war ihm dankbar für seinen Versuch. Es sah Daniel sonst überhaupt nicht ähnlich, sie mit Rücksichtnahme zu behandeln, aber wahrscheinlich tat er das jetzt auch nur in seiner Eigenschaft als Arzt.
“Ein netter Mann, der zufällig in der Nähe war, bot mir an, mich in seinem Auto mitzunehmen. Ich konnte ja nicht selbst fahren, und er hatte einen breiten Rücksitz und Vinylpolsterung, sodass ich keinen allzu großen Schaden anrichten konnte.”
“Du bist mit einem Unbekannten hergefahren?”
Die Schwester war ganz Ohr, deswegen wollte Lacy nicht das aussprechen, was ihr auf der Zunge lag. Am liebsten hätte sie Daniel eine saftige Ohrfeige verpasst für seine unverschämten Vermutungen. Aber da das noch weniger ging, tat sie das Nächstbeste. Sie grinste ihn frech an.
“Genau. Er war ein wirklicher Schatz. Er bot sogar an, auf mich zu warten, doch ich sagte ihm, das sei nicht nötig. Aber ich gab ihm meine Telefonnummer, falls er später nach mir schauen möchte.”
Daniel starrte sie nur fassungslos an. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Wut, Ungläubigkeit und Abscheu. Seine Entrüstung war eindeutig. Gleichzeitig wirkte er irgendwie resigniert, als ob er nichts anderes von ihr erwartet hätte. Sie versuchte zu lachen, schaffte es aber nicht ganz. Verflixt, warum musste dieser Mann sie immer verurteilen? Der Mann, der sie in seinem Auto mitgenommen hatte, war um die siebzig gewesen, und er hatte seine Frau bei sich gehabt. Sie hatte beide viele Male in ihrem Apartmenthaus gesehen, und auf der Fahrt zum Krankenhaus hatten sie sich rührend um sie gekümmert, als ob sie ihr einziges Enkelkind wäre.
Daniels Reaktion tat weh, und Lacy hörte sich sagen: “Es ist nicht so, wie du denkst …”
Aber er unterbrach sie. “Das ist nicht wichtig, Lacy. Wie du dein Leben lebst, ist nicht meine Sache.”
Sie hätte klüger sein sollen, als zu versuchen, diesem prüden Besserwisser etwas zu erklären. Er wollte die Wahrheit über sie ja gar nicht wissen, und bis zu diesem Moment hatte es ihr auch nie etwas ausgemacht. Doch offenbar war sie durch den Blutverlust vorübergehend überempfindlich geworden. Dabei war er nur ein schrecklich konservativer Mann wie so viele andere Männer, und seine Meinung war ihr schnurzegal.
“Wann hast du das letzte Mal eine Tetanusspritze erhalten?”
“Keine Ahnung.”
Er gab ihr eine Tetanusspritze, ohne weitere Fragen zu stellen, und diesmal zuckte sie nicht einmal zusammen. Daniels Miene war immer noch finster, aber er schien auch besorgt zu sein, und sie war überrascht von diesem seltenen Anblick. Sie wusste, dass er ein hervorragender Arzt war. Annie rühmte ihn ständig. Ein paarmal hatte sie ihre Freundin ins Krankenhaus begleitet und dabei festgestellt, dass man ihm dort tatsächlich sehr viel Respekt entgegenbrachte und die Patienten ihm vertrauten. Er war also ein wundervoller Arzt und ein sündhaft gut aussehender Mann – aber er missbilligte sie.
In diesem Moment untersuchte
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