Zurück in den Armen des Prinzen
den Vater, den sie nie gehabt hatte. Ihr eigener hatte die Familie verlassen, als sie zwei Jahre alt und ihre Mutter mit Julia schwanger gewesen war. Doch sie wusste auch, dass sie im Herz von König Benedetto erst weit hinter seinen Enkeln und deren Mutter – ihrer Schwester – rangierte. Trotzdem bemühte Phoebe sich unablässig, sich des Vertrauens und der Zuneigung des alten Mannes würdig zu erweisen.
Doch was meinte er damit, dass Castaldiniens Zukunft auf ihren Schultern ruhte? Nur ein König konnte das drohende Unheil von dem Land abwenden. Phoebe suchte in seinen stahlblauen Augen nach einer Antwort. Sein Blick wirkte entschlossen, und ihr wurde klar, dass er sich entschieden hatte. Wofür, wusste sie nicht, aber dass seine Entscheidungen immer richtig waren.
König Benedetto war nicht umsonst der am längsten regierende und beliebteste Herrscher seit König Antonio. Phoebe hielt ihn für den klügsten und fähigsten Monarchen des zwanzigsten Jahrhunderts. Allerdings war er auch einer der umstrittensten, denn in den vierzig Jahren seiner Amtszeit hatte er Castaldinien aus allen Konflikten in der Welt herausgehalten und das Land politisch isoliert. Andererseits hatte das dazu geführt, dass Castaldinien international als Refugium galt – mit einer romantischen Atmosphäre, die den Tourismus förderte.
Im neuen Jahrtausend jedoch hatten sich die Dinge geändert. Benedetto stand den Problemen, die die neue Zeit mit sich brachte, geradezu hilflos gegenüber, und das Land drohte daran zu zerbrechen. Um die Probleme noch zu verschärfen, hatte er sich bisher geweigert, einen Kronprinzen und damit seinen Nachfolger zu bestimmen.
Nun hatte er aber vier Monate zuvor einen Schlaganfall erlitten, und jetzt drängte die Zeit. Falls er starb und es keinen neuen König gab, drohte eine Katastrophe.
König Benedetto blieb ein paar Meter von ihr entfernt stehen und stützte sich schwer auf seinen Stock. Seine halbseitige Lähmung war durch gute Rehabilitationsmaßnahmen zurückgegangen, aber immer noch deutlich sicht- und hörbar, wenn er sprach. „Ich werde die Regierungsgeschäfte nie wieder vollständig übernehmen können“, sagte er.
Phoebe blickte in sein Gesicht, sah seine einst majestätische Gestalt, um die nun die prunkvolle Uniform schlotterte. „Ihr macht aber Fortschritte, Eure Majestät.“
„Nein, figlia mia “, widersprach er. „Ich kann kaum gehen, meine linke Seite ist taub, und die kleinste Erkältung wirft mich um.“
„Als Monarch müsst Ihr doch nicht vollkommen fit sein, um regieren zu können“, wandte sie ein.
„Oh doch“, erwiderte er. „Das Gesetz in Castaldinien verlangt es. Außerdem hat mein Kopf gelitten …“
„Das stimmt nicht“, rief sie erschrocken aus und meinte es ernst. „Ihr seid geistig genauso fit wie immer.“
Er seufzte. „Das ist nicht wahr. Ich vergesse Dinge. Ich drifte ab, wenn ich mich konzentrieren müsste. Doch selbst wenn ein Wunder geschieht und ich wieder ganz gesund werde, braucht Castaldinien eine neue Perspektive. Ich habe viel zu lange damit gewartet, dem Land einen Aufbruch in die Zukunft zu ermöglichen.“
Es tat ihr weh, zu sehen, wie schuldig er sich fühlte. „Aber Ihr konntet doch gar keinen Nachfolger auswählen“, warf sie ein. „Es gab doch keinen geeigneten Kandidaten.“
Er schüttelte den Kopf und hinkte hinüber zu einem vergoldeten Sessel, auf dem er sich mühsam niederließ. „Das stimmt nicht ganz“, sagte er dann. „Vor zehn Jahren hat es drei Kandidaten gegeben, die alle Kriterien erfüllten. Jeder von ihnen hätte Castaldinien regieren können. Nun verhält es sich aber so, dass diese drei Männer die Einzigen sind, die sich nicht um den Job bewerben werden.“
Also gab es drei Mitglieder der Familie D’Agostino, die alle Bedingungen erfüllten, um König von Castaldinien zu werden? Das war Phoebe neu, und ihre Gedanken überschlugen sich, als sie an Leandro dachte. Der König konnte ihn nicht meinen, denn Leandro hatte sich damals beworben.
Besorgt, aber auch neugierig trat sie auf den König zu. „Wo liegt das Problem?“
Benedetto seufzte. „Bei jedem Kandidaten gibt es einen Punkt, der einer möglichen Regentschaft im Wege steht.“
„Dann ist es nicht Eure Schuld, wenn Ihr keinen von ihnen erwählt.“
„Oh, das habe ich mir auch lange genug eingeredet“, erwiderte der König. „Aber ich kann nicht mehr warten. Es geht um die Zukunft und die Sicherheit des Landes. Daher habe ich mich mit meinen
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