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Zurueck in die Nacht

Zurueck in die Nacht

Titel: Zurueck in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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Aussehen nach zu urteilen
hat auch er sich schon großzügig aus unserem Getränkevorrat bedient. Und seiner
aufgeregten Stimme und den lebhaften Gesten nach zu urteilen kann es sich bei
dem Gesprächsthema nur um eins handeln. Mir schwant Böses. Ich nähere mich so
weit, dass ich hören kann, was er sagt.
    „Ihr
glaubt wohl, ich erzähle Märchen, was?“ Wild schaut er in die Runde.
    Das
Grinsen der Zuschauer – alles Leute aus meiner Schule – wird stärker. Einige
können sich das Lachen kaum noch verkneifen.
    Raphael
scheint es auch zu sehen. „Jaja, lacht nur! Hier bei uns, im aufgeklärten
Europa, glaubt ja kaum noch jemand, dass es mehr gibt als das, was die Wissenschaft
lehrt. Aber in Südamerika, da sind die Menschen klüger! Da haben sie nicht
gelacht, wenn sie mir ihre Geschichten erzählt haben!“
    „So
ein paar Wilde im Dschungel, was?“, ertönt eine höhnische Stimme von irgendwo.
    „Genau,
so ein paar ‚Wilde’!“, kontert Raphael. Seine Stimme wird immer lauter. „Die
noch nicht so von unserer tollen Zivilisation verdorben sind! Die noch offene
Augen und Ohren haben! Die noch sehen, was um sie herum vorgeht!“
    „Und
was soll das sein?“ Ein anderer Zwischenruf.
    „Dass
wir nichtdie einzigen intelligenten Wesen sind, die es gibt!“ Raphael
klingt triumphierend und übersieht dabei völlig, dass die Gesichter um ihn
herum bestenfalls skeptisch, in der Mehrheit aber spöttisch, mitleidig oder
fast feindselig sind. „Und dass sie – die Anderen – mitten unter uns sind!“
    Ich
weiß nicht, was ich tun soll. Früher wäre ich total sauer gewesen, wenn er so
eine Show abgezogen hätte, noch dazu auf meiner Geburtstagsfeier und mitten
unter meinen Freunden. „Mikes verrückter Alter“ hat oft genug für Spott
gesorgt, hinter meinem Rücken oder auch ganz offen – und ziemlich häufig war
ich einer der lautesten Spötter.  Außerdem ist das, was hier gerade abläuft, mit
ziemlicher Sicherheit kein Zufall. Meine sogenannten Freunde spielen vielmehr
ihr liebstes Spiel – den „Spinner“ dazu zu bringen, sich total lächerlich zu
machen. Früher habe ich mehr oder weniger bereitwillig dabei mitgemacht. Ich
fand es besser, über meinen Vater zu lachen als wegen ihm ausgelacht zu werden.
Und es war die einfachste Methode, mich an ihm für alles, was er mir meiner
Meinung nach wegen seines „Ticks“ angetan hatte und täglich antat, zu rächen.
Jetzt jedoch ist alles anders. Denn ich weiß, dass er ganz und gar nicht
verrückt ist, sondern der Klügste in dieser ganzen Meute. Und dass er absolut Recht
hat, wenn er sagt, dass die „Anderen“ hier mitten unter uns sind – ichbin
schließlich auch so einer. Doch das kann ich ihm nicht sagen. Aber ich will mir
auch nicht länger ansehen, wie er sich zum Gespött macht.
    Ich
dränge mich durch die Umstehenden, bis ich bei Raphael bin, dann packe ich ihn
am Ellenbogen und versuche, ihn wegzuziehen. „He, Dad, komm, lass uns noch was
trinken gehen.“
    Aber
er sträubt sich. „Ich bin noch nicht fertig!“
    Und
auch die Zuschauer haben keine Lust, dass die Show schon zu Ende sein soll.
„Mike, sei kein Spielverderber! Es wird doch gerade richtig interessant!“, ruft
eine Stimme, die verdächtig nach Will klingt. Andere rufen ähnliches.
    „Lasst
ihn in Ruhe, verstanden?“ Meine Entgegnung fällt schärfer aus als beabsichtigt.
    „He,
was ist denn los? Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß haben!“, schreit jemand
zurück.
    „Sucht
euch euren Spaß woanders, klar?“, entgegne ich unfreundlich. Dann ziehe ich
Raphael energisch weg.
    Meine
Freunde murren noch ein bisschen, dann wenden sie sich anderen Themen zu. Ich
drücke meinem Vater ein Bier in die Hand und setze mich mit ihm auf eine
Parkbank am Rand des Rasens. Er murmelt noch eine Weile vor sich hin, von
„Ignoranten“ und „Blinden“ und der Dummheit der Welt, dann nickt er, sanft an
meine Schulter gelehnt, ein. Und ich bin eigentlich ganz froh, dort im Dunkeln
mit ihm zu sitzen und mich nicht wieder unter die laute Gruppe meiner
Schulkameraden mischen zu müssen.
    „Na,
schon müde? So kennt man den schönen Mike ja gar nicht! Ich dachte immer, du
wärst so ein Partyhengst?“ Beim Klang der spöttischen Stimme schrecke ich aus
meinen Gedanken hoch und zucke gleich darauf zusammen. Neben mir, im Dunkeln
kaum zu erkennen, steht Patti und sieht mit hochgezogenen Brauen auf mich
herab. „Und auch noch so allein? Ohne irgendeine Verehrerin?“
    Mühsam
reiße ich

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