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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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waren, daß man sie mit dem Beil zerhauen mußte. Obwohl nur fünf Grad unter Null, war doch der Nautilus außen ganz mit Eis überdeckt.
    Unter diesen Umständen stand das Barometer meist sehr niedrig, sank sogar bis 73°5’. Der Compaß war in seinen Angaben nicht mehr zuverlässig; die irre gewordene Nadel zeigte auf alle Richtungen, als man dem Südpol des Magnets nahe kam, der nicht mit dem Südpol des Himmels zu verwechseln ist. Nach Hansten liegt dieser Pol in Wirklichkeit fast unter’m 70° Breite und 130° Länge, und nach den Beobachtungen Duperrey’s unter 135° Länge und 70°30’ Breite. Man mußte da den Compaß an verschiedenen Stellen des Schiffes anbringen, zahlreiche Beobachtungen anstellen und aus den verschiedenen Angaben das durchschnittliche Maß nehmen.
    Endlich, am 18. März, sah sich der Nautilus unabänderlich den Weg versperrt. Es waren nicht nur Blöcke und Eisfelder, welche hemmten, sondern eine endlose, unverrückbare Schranke von aneinander gereihten Eisbergen.
    »Die Eisdecke«, sagte der Canadier zu mir.
    Ich begriff, daß dies für Ned-Land, wie für alle früheren Seefahrer, ein unüberwindliches Hinderniß war. Als um Mittag die Sonne einen Augenblick zum Vorschein kam, konnte der Kapitän Nemo eine ziemlich genaue Aufnahme machen, wonach wir uns unter 31°30’ Länge und 67°69’ südlicher Breite befanden.
    Von flüssiger Meeresoberfläche keine Spur mehr vor unseren Augen. Vor dem Schnabel des Nautilus lag eine unendliche Ebene voll launisch durcheinander gewürfelter Blöcke von riesiger Größe; hier und da ragten Bergspitzen, schlanke Gipfel bis zu zweihundert Fuß hoch empor; weiter entfernt eine Reihe steiler Bergwände in graulicher Farbe, ungeheure Spiegel, welche die seltenen, halb im Nebel versenkten Sonnenstrahlen reflectirten. Ueber diese öde Natur breitete sich eine Stille, die kaum vom Flügelschlag der Sturmvögel oder Wasserscherer unterbrochen war. Rings alles gefroren, selbst die Töne.
    So war denn der Nautilus genöthigt, mitten in den Eisfeldern seine abenteuerliche Fahrt einzustellen.
    »Mein Herr, sagte da Ned-Land, wenn Ihr Kapitän noch weiter fahren wird.
    – Nun?
    – Dann ist’s sein Meisterstück.
    – Weshalb, Ned.
    – Weil über die Eisdecke Niemand hinaus kann. Ihr Kapitän vermag viel; aber, tausend Teufel! über die Natur hinaus kann er nicht, und wo diese ihre Schranken gesteckt hat, muß er wohl Halt machen.
    – Wahrhaftig, Ned-Land, und doch möchte ich gerne wissen, was hinter dieser Eisdecke ist! Eine Eiswand, die reizt nur mehr meine Neugier!
    – Mein Herr hat Recht, sagte Conseil. Die Bergwände sind nur da, um die Gelehrten zu höhnen.
    – Gut! sagte der Canadier. Was es hinter dieser Eisdecke giebt, weiß man wohl.
    – Was denn? fragte ich.
    – Eis, nichts als Eis!
    – Sie, Ned, sind davon überzeugt, versetzte ich, aber ich bin es nicht. Darum möchte ich hin, um zu sehen.
    – Darauf, Herr Professor, erwiderte der Canadier, werden Sie schon verzichten müssen. Sie sind bis an die Eisdecke gedrungen, das ist schon genug, und weiter hinaus werden Sie nicht kommen, und Ihr Kapitän Nemo mit seinem Nautilus auch nicht. Er mag wollen oder nicht, zurück in den Norden muß er wieder.«
    Ich muß zugeben, daß Ned-Land Recht hatte, und so lange es nicht Schiffe giebt, die über die Eisfelder hinaus fahren, müssen sie wohl vor der Eisdecke anhalten.
    Wirklich, trotz aller Anstrengungen mit seinen mächtigen Mitteln, mußte der Nautilus stille liegen. Gewöhnlich muß, wer nicht weiter vorwärts kann, seines Weges wieder zurück. Aber hier war rückwärts eben so wenig möglich, wie vorwärts, denn die Durchwege hatten sich hinter uns wieder geschlossen, und unser Fahrzeug war im Begriff einzufrieren. Bis zwei Uhr Mittags war dieses eingetreten, und das frische Eis bildete sich erstaunlich schnell um seine Seiten herum. Ich muß gestehen, der Kapitän war doch sehr unvorsichtig.
    Ich befand mich eben auf der Plateform. Der Kapitän, der seit einer Weile die Lage untersuchte, sprach zu mir:
    »Nun, Herr Professor, was halten Sie davon?
    – Ich denke, wir stecken fest, Kapitän.
    – Wir stecken fest! Was meinen Sie damit?
    – Ich meine, wir können weder vor-noch rückwärts, und auch nicht seitwärts.
    – Also, Herr Professor, Sie meinen, der Nautilus könne sich nicht frei machen?
    – Schwerlich, Kapitän.
    – Herr Professor, versetzte der Kapitän Nemo ironisch, Sie sind doch immer derselbe! Sie sehen nur Hindernisse!

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