Zwei bemerkenswerte Frauen
klaren, festen Linien machen und nicht wie früher mit Schraffierungen und Schatten. Miss Elizabeth war wie ein Fossil, das man gereinigt und eingefasst hatte, damit alle genau sehen konnten, was es war.
«Und was unsere Meinungsverschiedenheit angeht – auch ich habe Dinge gesagt, die mir Leid tun», fuhr sie fort. «Ich war eifersüchtig auf dich, genau wie du damals gesagt hast, aber nicht nur wegen Colonel Birch, sondern auch auf dein Wissen über Fossilien und deine Fähigkeit, sie zu finden, zu erkennen und einzuordnen. Das werde ich niemals lernen.»
«Oh.» Ich schaute weg, denn es war schwer, ihren strahlenden, ehrlichen Blick zu erwidern. Gehend und redend waren wir bis ans untere Ende des Cobb gelangt. Die Wellen brachen sich über ihm, und die Gischt sprühte so hoch, dass die Möwen hinauf in den Himmel flüchteten.
«Ach weißt du, ich würde gern den Ammonitenfriedhof sehen», beschloss Miss Elizabeth. «Ich war schon so lange nicht mehr dort.»
«Sind Sie sicher, dass Sie so weit laufen können, Miss Elizabeth? Sie dürfen sich nach Ihrer Krankheit nicht überanstrengen.»
«Hör auf damit. Margaret und Bessy machen schon genug Aufhebens um mich. Louise Gott sei Dank nicht. Und nenn mich Elizabeth. Ich werde so lange darauf bestehen, bis du es gelernt hast.»
Und so gingen wir Arm in Arm zum Strand und redeten, bis es nichts mehr zu sagen gab. Unsere Augen hafteten die ganze Zeit am Boden, wo die Kuris nur darauf warteten, von uns gefunden zu werden.
X
Zusammen schweigen
M ary Anning und ich sind am Strand und suchen Fossilien, sie ihre Riesenbestien und ich meine Fische. Unsere Augen wandern über den Sand und die Klippen, während wir in unterschiedlichem Tempo die Küste entlanggehen. Mal läuft die eine vorne, mal die andere. Mary bleibt stehen, um eine Knolle aufzubrechen und nachzusehen, ob sich etwas in ihrem Inneren befindet. Ich wühle auf der Suche nach Neuem und Wunderbarem durch den Matsch. Wir reden wenig miteinander, denn das haben wir nicht nötig, wir können zusammen schweigen. Jede ist in ihrer eigenen Welt und weiß doch, dass sie sich nur umdrehen muss, um die andere zu sehen.
Postskriptum
Dem geduldigen Leser
I n wissenschaftlichem Zusammenhang erschien der Name Mary Anning erstmals 1825. Georges Cuvier nannte ihn in der dritten Auflage seines Buchs Discours sur les révolutions de la surface du globe ( Diskurs über die Veränderungen der Erdoberfläche ) in einer Bildunterschrift unter der Zeichnung eines Plesiosaurier-Fossils. In Großbritannien las man ihren Namen erstmals im Jahr 1829 in einem Aufsatz über Koprolithen (Kotsteine), den William Buckland veröffentlichte. Zusammen mit Buckland hatte Mary entdeckt, dass Bezoare die versteinerten Exkremente von Ichthyosauriern und Plesiosauriern sind. Außerdem hatte sie mittlerweile den ersten vollständigen Pterodaktylus Englands (heute Ptero- oder Flugsaurier genannt) gefunden und ein Fischfossil der Gattung Squaloraja, einer Mischung zwischen Hai und Rochen.
Mary Anning hat nie geheiratet und lebte bis zu Mollys Tod im Jahr 1842 mit ihrer Mutter zusammen. Im Jahr 1826 zogen sie vom Cockmoile Square in ein Haus mit Ladenfenster in der Broad Street. Marys Hund Tray wurde 1833 bei einem Erdrutsch getötet, dem Mary nur knapp entkam. Mary starb 1847 im Alter von 47 Jahren an Brustkrebs. Sie ist auf dem Friedhof der Kirche Sankt Michael beerdigt, der sie später beitrat. Ihre Ichthyosaurier und Plesiosaurier sind im Natural History Museum in London ausgestellt und der kopflose Plesiosaurier, den ihr Cuvier abkaufte, in der paläontologischen Galerie des Musée National d’Histoire Naturelle in Paris.
1834 kam der Schweizer Wissenschaftler Louis Agassiz nach Lyme, um die Fischfossilien von Elizabeth Philpot zu sehen. In seinem Buch Recherches sur les poisson fossils (Studien über Fischfossilien) bedankte er sich sowohl bei Elizabeth als auch bei Mary Anning und benannte fossile Fische nach ihnen. Elizabeth überlebte Mary Anning und auch ihre Schwestern und starb 1857 im Alter von 78 Jahren. Ihr Neffe John erbte ihren Nachlass, 1880 stiftete dessen Ehefrau die Philpot-Fossiliensammlung dem Oxford University Museum of Natural History , wo es immer noch viele mit ihren faszinierenden fossilen Fischen gefüllte Schubladen zu sehen gibt. Elizabeths Großneffe Thomas gründete später in Lyme Regis das Philpot-Museum, das passenderweise in einem hübschen Haus genau an der Stelle des Cockmoile Square untergebracht ist,
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