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Putla - Junge ohne Lachen

Putla - Junge ohne Lachen

Titel: Putla - Junge ohne Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Frank
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"Putla: Ein kleiner, schmaler, dunkeläugiger Bub mit dem üblichen Skinhead osteuropäischer Heiminsassen, der mit gesenktem Kopf vor sich hin stierte. Bohu, der Filmemacher, stellte ihn mir vor - Putla gab mir die Hand ohne aufzublicken - und bot ihn mir auch gleich an, denn "bei den Dreharbeiten habe ich ihn genügend gehabt". Er liess ihn im Kino neben mir sitzen, wobei, um mich zu ermuntern, Bohus Freund Jürgen, der einen Platz weiter sass, mir über Giorgis Kopf hinweg erklärte, dass Putla keine Gefühle habe, "er ist eine Maschine". Beim offiziellen Essen danach, erzählte Bohu - alles immer vor Putla, der etwas Deutsch verstand - dass gemäss Putla im Waisenhaus die Grösseren und die Wärter ihn "an schlechten Tagen zehnmal am Tage, aber in guten Wochen nur ein paarmal pro Woche" zusammengeschlagen und vergewaltigt hatten. Ich bestellte für ihn, was hier statt Cola verkauft wurde, und er trank mit wissendem, unhöflichem Grinsen. Bohu fragte mich - immer alles vor Putla - wie mir der Bub gefiel, und ich sagte, "nicht schlecht". Putla folgte mir so fraglos, als hätte ich ihn gekauft; er sass neben mir, stumm duldete er, dass ich ihm im Dunkeln den Arm um die Schultern legte, selbstverständlich das Eis essend, das ich ihm kaufte, ohne Dank, das Gesicht, in dem zwei unsichere Augen flackerten - sobald das Licht anging, - aggressiv abgewendet. Verschiedene Filmleute kamen auf uns zu und gratulierten ihm zu seinem Filmdebüt; er grinste frech, und auf die Frage, was er weiter mache, antwortete er mit einem so rüden "Scheisse!", dass jedem Frager die Lust verging, weiter mit ihm zu sprechen. Er begleitete mich zynisch komplizenhaft wie ein Grossstadtstricher, der vorher noch zum Essen eingeladen wird, zum Bankett, das Stunden dauerte, mit Reden, denen keiner zuhörte, der normalen Gerüchteküche über zwanzig Tische. Putla sass mit gesenktem Kopf neben mir, bis ihn das endlose Geschwätz einlullte und er, nun mit naivem Kindergesicht, langsam gegen meine Schulter rutschte."
     
     
     
     
    Copyright 2012 Martin Frank

Liebe hat tausend Augen,
und ist doch blind.

William Shakespeare
    Putla wurde am zweiten Nachmittag des Festivals gezeigt - die Filme meines Freundes Bohuslav Hlasek landen meist im Nachmittagsprogramm. Von Rowdies zusammengeschlagen, hinterlässt ein junger Zigeuner sterbend dem kleinen Sohn seine Geige. Bub und Geige geraten in ein Waisenhaus, mehr Zuchthaus als Heim, wo die Geige zerbrochen und der Bub, Putla (Puppe, K. & K. Putz-, Strich- und Strassenjunge), von älteren Insassen, weil Zigeuner, misshandelt und missbraucht wird. Er flüchtet aus dem Heim, schläft in Scheunen und klaut Obst, wofür er wiederum von rassistischen Dorfbossen zusammengeschlagen und vergewaltigt wird. Mit einem widerlichen Lastwagenchauffeur, der sich von ihm während der Fahrt befriedigen lässt, kommt Putla nach Prag, gerät an eine Truppe von Strassenstrichern, die, beschützt und ausgenützt von der lokalen Mafia, Touristen ausnimmt, bis er auf einen Trupp Zigeunermusikern stösst, die ihm nach langem Betteln erlaubt, auf einer ihrer Fiedeln zu zeigen, was er kann, und ihn aufnimmt.
    An einem grösseren Filmfestival hätte Putla keine Wellen geworfen, doch hier, unter den zahnlosen Beiträgen sozialistischer Sowjetrepubliken und sozialistischer Drittweltdiktaturen, war er eine willkommene Abwechslung - der frechste und interessanteste Beitrag des Ostblocks. Besser als der Film gefiel mir der Hauptdarsteller Giorgi Desö: Ein Geigenwunderkind rumänisch-ungarischer Abstammung, mit einem maskenhaften Gesicht, ohne Gemütsbewegung, das eine traurigere und wahrere Geschichte als der Film selbst zu erzählen schien.
    Putla wird von älteren Insassen mit glühenden Zigaretten gebrannt - über sein Gesicht, eine bleiche harte Maske unter sonnenverbrannter oliver Haut, laufen echte Tränen echten Schmerzes. Er verbirgt sich vor seinen Verfolgern in Prag im fünften Stock einer verlassenen Fabrik zwischen den Fenstern auf einem Mauervorsprung - ein langsames Zoom von Nahaufnahme bis zur Totale zeigt, dass kein Netz, keine Sicherung den Buben vor dem Absturz schützt. Bohu sagte mir später, dass sie den Buben nicht einmal zu versichern brauchten, so wenig war das Waisenhaus, in dem sie ihn gefunden hatte, interessiert, den Zigeunerwelpen, die Hundware, lebend wiederzuhaben. In der gleichen langen Einstellung das Gesicht eingerahmt von seinen kleinen, starken, schmutzigen Fingern, mit denen er sich an der

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