Zwei Sommer
es vielleicht vier, fünf Leute, die er nun mal schon vor ihr gekannt hatte und die absolut nichts mit ihr zu tun hatten.
Das hasste sie ja am allermeisten: Dinge in Ollis Leben, die nichts mit ihr zu tun hatten.
Ich saß auf ihrem Bett und zog Fäden aus ihrer Tagesdecke. Ich hatte gehofft, wir würden uns nach dem Konzert noch einen schönen Abend machen, Video gucken oder einfach nur mal wieder quatschen. Ich hatte gedacht, früher oder später würde sie sich schon einkriegen und zu der Erkenntnis gelangen, dass ich ja auch noch da war und dass es einer der wenigen Abende werden könnte, den wir mal wieder zu zweit verbrachten.
»Ich bin doch kein Spielzeug, das man mal eben aus der Ecke holt, weil man grad niemand anders zum Spielen hat!«, schnaufte sie, schnappte sich ihre Giraffe und verbarrikadierte sich mit ihr auf der Kommode.
»Das bist du doch nicht«, versuchte ich sie zu besänftigen und unseren Abend zu retten, doch Marie hörte überhaupt nicht zu.
»Er hat genau gewusst, wie schön ich es gefunden hätte, wenn er heute gekommen wäre! Ich guck mir schließlich auch jedes Fußballspiel von ihm an. Obwohl mir Fußball total am Arsch vorbeigeht.«
Was bedeutete es ihr denn eigentlich, dass ich mit ihr ins Becks Stage gegangen war? Obwohl mir dieser verrauchte Laden total am Arsch vorbeiging und obwohl ich am übernächsten Tag Mathe nachschreiben musste?
»Er hat mich nicht mal gefragt, ob ich vielleicht Lust habe, danach zu dieser bescheuerten Party zu kommen!«
Ich spürte, wie allmählich auch in mir Wut aufstieg. Für Marie war ich mal wieder bloß die zweite Wahl nach Olli.
»Vielleicht hatte er einfach Lust, mal was alleine zu machen?« Das hätte ich wohl besser nicht sagen sollen. »Da ist doch nichts dabei, oder?« Das erst recht nicht.
»Nichts dabei? Geht’s noch?«, dröhnte es von der Kommode.
Wenn Marie eines hasste, dann war es, wenn man sie bei ihren Wutausbrüchen störte. Und noch mehr hasste sie es, wenn man ihren Ärger durch vernünftige Einwände zu zerstreuen versuchte. Verrückt, wie gut ich sie kannte und wie wenig mir das in Augenblicken wie diesen nützte.
Olli hatte ich gerettet, so viel stand fest, aber nur, weil sie jetzt auf mich sauer war.
»Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«, fauchte sie mich an.
»Ich steh auf überhaupt keiner Seite«, erwiderte ich versöhnlich. Wie kam ich auf die dumme Idee, ausgerechnet Diplomatie könnte mich jetzt aus der Schusslinie bringen?
»Das tust du ja nie!« Peng, peng.
»Immer schön nett sein zu allen!« Peng, peng, peng.
»Du bist genau wie deine Mutter!« Treffer. Isabella versenkt.
Marie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass ihre Zielscheibe längst von der Wand gefallen war.
Ich war wie gelähmt vor Wut darüber, wie sie das, was ich ihr über meine Mutter anvertraut hatte, nun schonungslos gegen mich benutzte. Doch statt mich zu wehren, stand ich auf und ging und gab ihr Recht.
Gerald, die Stoffgiraffe, verfehlte nur knapp ihr Ziel und schlug mit der geplüschten Stirn gegen den Türrahmen.
Kaum war ich zu Hause, erreichte mich ihre SMS auf meinem Handy: Es tut mir leid.
Ich wusste sofort, dass sie es ehrlich meinte. Nur darum war ich bereit, ihr zu verzeihen. Mir einzugestehen, wie sehr sie mich an diesem Abend verletzt hatte, dazu war ich nicht bereit.
So war das manchmal gewesen zwischen mir und Marie. Aber so war es ja nicht immer.
»Manche Briefe von ihr kapier ich bis heute nicht.« Olli richtet sich auf und lehnt sich an mich. Ich lege meine Arme um ihn und wir schauen aufs Wasser.
»Aber du warst mal in sie verliebt für ihre Briefe, stimmt’s?«, frage ich. Dieser Gedanke macht mich immer noch misstrauisch. Weil ich ihm nie solche Briefe schreiben könnte. Ich frage mich einfach, wie man sich erst in Marie verlieben kann und dann in mich.
»Klar.«
»Ich kann dir so was aber nicht schreiben«, sage ich leise.
Olli dreht sich lächelnd um und versucht mich auf die Nase zu küssen. Ich lehne mich zurück und weiche seinem Kuss aus. Olli zieht mich wieder zurück in seine Arme. »Prinzessin, jetzt hör doch mal auf, dir so viele Gedanken über Marie zu machen. Ich will mit dir zusammen sein. Warum glaubst du mir das nicht?«
Er küsst meine Stirn und ich lasse es geschehen.
»Ich glaub dir j a … Es ist nu r …«
Olli nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mir den Rest des Satzes von den Lippen.
Zu schön, um wahr zu sein.
13
Wir liegen am Strand und genießen die Kühle
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