Zwei wie wir: Roman (German Edition)
waren.
»Willst du mich heiraten?«
An einem Tag, der rund ein halbes Jahr zurückliegt, tut sie das, was früher einmal Sache von uns Jungs gewesen ist. Sie kniet sich vor mich und macht mir einen Heiratsantrag. Ich fühle mich, als bekäme ich eine von diesen Mails mit einer 500000-Euro-Gewinnbenachrichtigung. Oder einer Erbschaft, die bei der Staatsbank in Kinshasa hinterlegt ist. Sofort löschen! Zu schön, um wahr zu sein. Aber wenn doch etwas dran ist?
Ich lachte. Weil ich es mir niemals so vorgestellt hatte. Einen Antrag zu bekommen – und auch noch auf diese Art. Was mich aber am meisten überraschte, war die Tatsache, dass es mir gefiel. Ich hatte das Gefühl, dass in diesem Augenblick so etwas wie das richtige Leben begann. Mein richtiges Leben.
Also kniete ich mich einfach auch hin, sodass wir wieder auf Augenhöhe waren. Ich erbat mir von ihr das Recht, sie auch zu fragen.
»Okay, dann gleichzeitig«, sagte sie.
Wir zählten mit den Händen bis drei, und dann fragten wir uns gegenseitig: »Willst du mich heiraten?«
Ja, wir wollten. Auch wenn es verrückt war. Quasi lebensgefährlich.
Nicht wieder rückgängig zu machen, selbst wenn wir es rückgängig machten. Aber das wussten wir ja. Hatten es uns oft genug gesagt. Jeder soll bleiben, wie er ist. Nichts verlieren, nur gewinnen.
I c h öffne schlagartig die Augen und bin wieder in der Gegenwart. Ich stehe in der Kirche und spüre alle Blicke auf mir, inklusive die des Pastors und meiner zukünftigen Frau. In ihren Augen entdeckte ich so etwas wie Furcht. Weil ich gezögert habe. Davor hatte sie von Anfang an Angst. Mein Zögern. Aber das muss sie nicht. Ich will es genauso wie sie. Jetzt und hier. Für immer.
Ich erlöse Inna und uns alle mit einem Lächeln. Und als ich es sage, fällt es mir ganz leicht: »Ja, ich will.«
Zwölf Jahre und 351 Tage später
1
S c hatz?«
»Hm?
»Scha-a-tz!?«
»Was ist denn?«, frage ich mit müder Stimme.
»Ich wollte nur sehen, ob du noch lebst«, sagt Inna.
»Bin mir nicht sicher.«
»Eben. Ich auch nicht.«
Ich öffne die Augen, was die größte Aktivität ist, die ich in den letzten zwei Stunden unternommen habe. Es ist Sommer, es ist Samstagnachmittag, ich bin da, wo ich am liebsten bin: Im Garten meines Hauses auf meiner Rattanliege mit der gestreiften Auflage. Neben mir Inna, meine Frau. Die Kinder sind auch in der Nähe. Dazu mein Hund, meine Katze, mein Auto. Alles da. Mein Leben.
Ich drehe leicht den Kopf, und mein Blick fällt auf die Frau, die ich vor einem halben Jahrhundert – gefühlt – geheiratet habe. Inna. Jedenfalls glaube ich, dass sie es ist. Einiges spricht dafür: die Haarfarbe, die Stimme, die Körperhaltung. Andere Dinge wiederum sind neu und anders: die Fältchen um ihre Augen, ihr spöttischer Blick, die Tatsache, dass sie eine knappe Leine in der Hand hält, deren Ende mit dem nietenversehenen Lederband verbunden ist, das ich um den Hals trage …
IchfahremiteinemSchreiaufundreibemirleichtverwirrtdenSchlafausdemGesicht.Gott,wasfüreinAlbtraum!
»Schatz, was ist denn los?«, fragt Inna besorgt.
»Was? Gar nichts! Alles in Ordnung«, sage ich mit wackeliger Stimme.
»Du klingst aber gar nicht danach. Kriegst du gerade einen Herzinfarkt? Haben wir eigentlich einen Defibrillator im Haus? Soll ich den Notarzt rufen?«
»Ich habe nur schlecht geträumt«, sage ich lächelnd. Sie nickt mir zu, lächelt ebenfalls. Ihre Grübchen sind immer noch so umwerfend wie am ersten Tag.
»Habe ich dir heute eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?«, frage ich.
»Nein.«
»Diese Woche?«
»Nein.«
»Diesen … «
»Hey, sag’s einfach! Wenn’s noch stimmt.«
»Es stimmt noch. Ich liebe dich.«
E s ist ein später Samstagnachmittag, den wir gemeinsam im Garten unseres Reihenhauses in Sasel verbringen, einem Hamburger Vorort, in dem das Leben so schön und harmonisch verläuft wie in der Truman-Show . Die Nachbarn grüßen sich, lesen die Welt oder die FAZ und fahren in den Ferien nach Tunesien oder Südfrankreich.
Und ich mittendrin!
Die sommerliche Stille wird nur vom gelegentlichen Summen eines Sportflugzeugs am wolkenlosen Himmel oder vom etwas lauteren Summen des neuen Aufsitz-Rasenmähers unseres Nachbarn Rolf unterbrochen – ein Gerät, das man zweifellos braucht, wenn man eine Rasenfläche von satten vierzig Quadratmetern in Schuss halten muss.
Unsere Kinder spielen in dem aufblasbaren Gartenpool, den wir im Schatten des großen Kirschbaums aufgestellt
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