Zweyer, Jan - Rainer
Jahren abgewöhnt. Aber wenn Sie…«
»Danke.« Der Anwalt griff zur Schachtel und zündete sich eine neue Zigarette an. »Was kann ich für Sie tun, Herr…?«
»Pawlitsch. Georg Pawlitsch.«
Esch notierte den Namen. »Herr Pawlitsch. Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll… Sagen Sie, was kostet eine Auskunft bei Ihnen?«
Solche Menschen liebte Rainer. Er hatte schon öfter erlebt, dass Mandanten mit ihm über die Höhe seines Honorars feilschen wollten, noch bevor er überhaupt wusste, worum es ging. Seiner Meinung nach verwechselten diese Leute eine Anwaltskanzlei mit einem orientalischen Basar, obwohl vermutlich auf Letzterem weniger als in seinem Büro gelogen wurde.
»Das hängt vom Sachverhalt ab, Herr Pawlitsch. Das Anwaltshonorar richtet sich nach dem Streitwert und ist in den meisten Fällen gesetzlich vorgeschrieben. Wenn Sie mir sagen, um was es geht, kann ich Ihnen zumindest grob sagen, welche Gebühren entstehen können.«
»Ich brauche eine Auskunft über das Presserecht.«
»Über das Presserecht?« Esch rekapitulierte seine Kenntnisse auf diesem Gebiet und musste selbstkritisch eingestehen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte. An so eine Unwissenheit hatte er sich jedoch gewöhnt. Das war früher, während seiner Studentenzeit, der normale Zustand vor jeder Klausur gewesen. »Also das Presserecht. Selbstverständlich. Um was geht es?« Klappern gehört zum Handwerk. Rainer fand, dass er einen ungemein professionellen Eindruck machte.
Leider ließ der nächste Satz seines neuen Mandanten eine gewisse Skepsis erkennen. »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Aber, kennen Sie sich wirklich auf diesem Gebiet aus?«
Esch zog leicht verstört an seiner Zigarette. »Ich bitte Sie.
Darin bin ich sozusagen zu Hause. Was wollen Sie denn wissen?«
»Und Ihr Honorar? Wie hoch ist Ihr Honorar?«
»Wenn ich Ihre Frage sofort und ohne intensiver, äh… in die Materie einzusteigen beantworten kann, betrachte ich unser Gespräch als Beratung. Mein Honorar würde dann, äh, sagen wir mal, einhundertfünfzig betragen.« Rainer beobachtete sein Gegenüber aufmerksam, bereit, beim geringsten Ausdruck des Erschreckens oder Unwillens seine Forderung unverzüglich zu reduzieren.
»Einhundertfünfzig. In Ordnung.«
Esch atmete auf. Geld schien keine wesentliche Rolle zu spielen.
»Gut. Also, um was geht es denn nun?«
Pawlitsch zögerte. Esch schien es, als suche er nach den richtigen Worten. Dann begann Georg Pawlitsch bedächtig und langsam zu sprechen; so, als ob er jedes Wort sorgfältig abwägen müsste: »Wenn eine Zeitschrift oder ein Verlag irgendetwas veröffentlicht, dann muss es sich doch um die Wahrheit handeln, oder?«
»Das muss es.« Rainer dachte an die tatsächliche Praxis vieler Medien und hoffte, dass ihm nicht die Schamesröte im Gesicht stand.
»Und was ist, wenn es sich um lebende oder auch tote Personen handelt?«
»Da gilt das natürlich auch. Sie dürfen keine unwahren oder ehrverletzenden Aussagen über andere Menschen machen.
Beispielsweise ist es nicht gestattet, Bilder anderer Leute ohne deren ausdrückliches Einverständnis zu veröffentlichen. Das nennt man: Recht am eigenen Bild. Das gilt allerdings nicht, wenn es sich bei dem Fotografierten um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, zum Beispiel einen Politiker oder Schauspieler, handelt. Die müssen es sich in der Regel gefallen lassen, fotografiert zu werden. Zumindest dann, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Trotzdem versuchen immer wieder Sensationsfotografen…«
»Nein«, unterbrach ihn Pawlitsch. »Darum geht es mir nicht.
Es dreht sich nicht um Bilder. Ich meine Geschichten über andere Menschen… wahre Geschichten.«
Esch hatte nicht die geringste Ahnung, worauf Pawlitsch hinauswollte. »Ich verstehe. Wenn eine Zeitung beispielsweise über mich schreibt, ich sei der beste Anwalt Hernes, ist das leider eine nicht überprüfbare Behauptung. Die Zeitschrift darf eine solche Aussage im Grunde nicht machen. Das gilt selbstverständlich in viel stärkerem Maß für das Gegenteil.
Das stimmt natürlich erst recht nicht und darf deshalb auch nicht veröffentlicht werden.« Rainer grinste sein Gegenüber an, der reagierte jedoch überhaupt nicht auf seine Scherze.
»Hm, gut. Also: Sie dürfen nur wahre Tatsachenbehauptungen aufstellen.«
»Was bedeutet das?«
»Wenn Sie behaupten, dass ein Politiker irgendwann einen Meineid geschworen hat, muss
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