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Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus

Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus

Titel: Deathbook Episode 1. Rowohlt E-Book Plus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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D ieses Bild von Kathi mochte ich besonders. Darauf sitzt sie in ihrem Zimmer vor der vertäfelten Wand und hält ihre grau getigerte Katze Lady im Arm. Dem Betrachter dieses Fotos drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, von zwei Katzen angeschaut zu werden. Die Aufnahme wird von den Augen der beiden beherrscht. Ladys sind weit geöffnet und von intensiver grüner Färbung, mit den katzentypischen, aufrecht stehenden Pupillen.
    Kathis Augen waren grün wie die der Katze. Diese Neugierde darin. Unbändig ihr Drang, alles zu erfahren, alles zu erkunden, tiefer zu blicken. In Kathis fünfzehnjährigen Augen lag viel mehr Wissen, als sie in ihrem kurzen Leben angehäuft haben konnte. Es gab nicht viele Teenager mit solchen Augen, und ich stellte mir nicht zum ersten Mal die Frage, ob an der hinduistischen These der Wiedergeburt etwas dran sein könnte.
    In diesem Moment wollte ich daran glauben.
    Denn Kathi war tot.
    Ich ließ das vor Lebendigkeit vibrierende Bild auf mich wirken und spürte, wie mir der Hals eng wurde. Bisher hatte ich nicht geweint. In meiner Familie haben die Männer nie viel geweint, und ich war da keine Ausnahme. Kathis Tod war erst vor drei Tagen geschehen, und noch hielten der Schock und die bohrenden Fragen nach dem Wie und Warum die Tränen zurück. Ich konnte vor lauter Grübelei nicht mehr schlafen – schon gar nicht schreiben. Warum, warum, warum? Keine Erklärung, von niemandem. Und was die Polizei zu berichten hatte, war absolut unglaubwürdig. Ich war zwar nur Kathis Onkel, aber ich wusste es besser. Nie und nimmer hatte es sich so zugetragen.
    Sie war häufig bei mir gewesen, hatte sich mir anvertraut, wenn es in der Schule oder zu Hause mal wieder Ärger gegeben hatte. Zu behaupten, ich hätte sie besser gekannt als mein Bruder und dessen Frau, wäre vermessen, aber ich konnte in vielen Dingen natürlich lockerer sein als Kathis Eltern. Ach, verdammt … die Enge im Hals verstärkte sich und ich spürte, wie meine Mundwinkel zu zittern begannen. Vielleicht hätte ich heute nicht herkommen sollen. Vielleicht hätte ich die Fotografie nicht ausdrucken und in den schlichten Holzrahmen stecken sollen. Kathi hatte sie mir erst vor ein paar Wochen per Dateianhang zugeschickt. Das war kurz nach ihrem Praktikum bei mir gewesen. Sie hatte mich angefleht, den Zukunftstag der Schule bei mir verbringen zu dürfen. Ihre Lehrerin hatte nichts dagegen gehabt, auch wenn es ein wenig ungewöhnlich war. Ich gebe es zu, ich fühlte mich geschmeichelt. Sie hatte gesagt, sie würde in der Schule mit mir angeben, und ich bezichtige jeden der Lüge, der behauptete, so etwas würde nicht der Eitelkeit schmeicheln.
    Kathi war es nicht darum gegangen, diesen Praktikumstag möglichst bequem irgendwie herumzukriegen. Ich wusste ja schon länger von ihrer Leidenschaft für Bücher und ihrem Wunsch, selbst etwas zu schreiben. Vielleicht rührte daher auch unsere enge Verbundenheit.
    Jetzt kamen die Tränen. Sie taten weh, und ich schämte mich ihrer nicht. Die ersten tropften auf Kathis Bild. Ich wischte sie mit dem Ärmel meines Pullovers fort und sah genauer hin. Kathi strahlte nicht nur mit ihren Augen, sondern mit dem ganzen Gesicht. Sie hatte einen breiten Mund, fast wie Julia Roberts, mit zwei Reihen weißer, gerader Zähne. Einzig die beiden oberen Schneidezähne waren ein wenig länger, aber nicht viel, und die kleine Unregelmäßigkeit machte sie nur noch hübscher. Aus diesem Mädchen wäre eine Schönheit geworden, die viele Jungs um den Verstand gebracht hätte.
    Davon war nichts mehr übrig.
    Ich konnte nicht anders, ich sah zum Sarg hinüber. Er stand auf zwei Holzböcken im halbrunden Anbau der Kapelle zwischen den beiden bodentiefen Buntglasfenstern. Es fiel kaum Licht herein, die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Ich war absichtlich so spät gekommen. Morgen würde Kathi beerdigt werden. Viele Menschen würden ihr letztes Geleit gewähren, und das war kein Rahmen, in dem ich Abschied nehmen konnte. Dafür musste ich heute hier mit ihr allein sein.
    Dort lag sie also, in dieser aufwendig gearbeiteten Holzkiste. Trotz all der schmückenden Messingbeschläge und Schnitzereien war es doch nichts weiter als eine Holzkiste, die im Erdboden irgendwann verrotten würde. Genau wie Kathis Körper.
    Der lange schwere Güterzug hatte nicht viel von ihm übriggelassen.
    Einige Teile von ihm waren nicht gefunden worden. Tiere hatten sie wohl in den Wald getragen und gefressen. Manches war einfach zermalmt

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