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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich kalt: »Kitty Genovese ist tot.«
    Mir gefiel weder der Klang dieser Worte noch die Resignation, die aus ihnen sprach, aber ich widerrief sie nicht.
    Weit draußen auf hoher See fuhr ein Tanker in nördliche Richtung.
    Palmen rauschten hinter uns.
    Zwei kleine Jungen in Badehosen rannten lachend vorbei.
    Obwohl Rya nicht mehr auf dieses Thema zurückgekommen war, wiederholte ich etwas später: »Kitty Genovese ist tot.«
     
    In dieser Nacht lag ich schlaflos neben Rya im Bett und dachte über einige mir unbegreifliche Dinge nach.
    Erstens: die Mißgeburten in jenem Keller.
    Warum ließen die Trolle ihre abnormen Kinder leben? In Anbetracht ihrer sonstigen gewalttätigen Neigungen wäre es doch nur natürlich gewesen, wenn sie ihre behinderten Kinder gleich nach der Geburt umgebracht hätten. Schließlich waren sie ja so gezüchtet worden, daß sie zu allen Gefühlen außer Haß und beschränkter Furcht nicht fähig waren. Verdammt, ihr Schöpfer — der Mensch — hatte ihnen die Fähigkeit verwehrt, Liebe, Mitleid und elterliche Verantwortung zu empfinden. Ihre Bemühungen, ihre Mißgeburten — wenn auch in einem Käfig — am Leben zu erhalten, war mir unerklärlich.
    Und zweitens: Warum war das Kraftwerk in der unterirdischen Anlage so gewaltig? Wozu wurde dort hundertmal mehr Energie erzeugt als notwendig?
    Vielleicht hatte der Troll, den wir verhört hatten, uns trotz des Pentothals nicht die ganze Wahrheit über den Zweck des Bunkers gesagt und uns auch die wahren Langzeitpläne der Trolle verschwiegen. Gewiß, sie legten riesige Vorräte von allem an, was sie brauchen würden, um einen Atomkrieg zu überleben. Aber vielleicht wollten sie nicht nur in den Ruinen nach menschlichen Überlebenden suchen und diese liquidieren. Vielleicht wollten sie ihre eigene Spezies anschließend doch nicht auslöschen, sondern träumten insgeheim davon, uns vom Angesicht der Erde zu tilgen und dann an unsere Stelle zu treten. Vielleicht verfolgten sie aber auch irgendwelche Intentionen, die uns so fremd und unverständlich wären wie ihre gesamte Denkweise.
    Ich wälzte mich stundenlang schlaflos von einer Seite auf die andere.
     
    Zwei Tage später hörten wir am Strand zwischen der Rock 'n' Roll-Musik die Nachrichten mit den üblichen Schreckensmeldungen. In Sansibar behauptete die neue kommunistische Regierung, etwa tausend politische Gefangene nicht gefoltert und ermordet, sondern ganz im Gegenteil freigelassen zu haben. Die Leute hätten gehen können, wohin sie wollten. Eigenartigerweise waren alle tausend auf dem Heimweg spurlos verschwunden. Die Krise in Vietnam wurde immer schlimmer, und es mehrten sich die Stimmen, die einen amerikanischen Truppentransport ins Krisengebiet befürworteten, weil das angeblich die Lage stabilisieren würde. Irgendwo in Iowa hatte ein Mann seine Frau, seine drei Kinder und zwei Nachbarn erschossen; die Polizei fahndete im ganzen Mittelwesten nach ihm. In New York hatte es bei einer Bandenschlägerei wieder einmal Tote gegeben. In Philadelphia — oder war es Baltimore — waren zwölf Personen bei einem Wohnungsbrand ums Leben gekommen.
    Schließlich waren die Nachrichten zu Ende, und das Radio spielte uns wieder die Songs der Beatles, der Supremes, der Beach Boys und all der vielen anderen — genau die richtige Art von Musik, magische Musik. Aber irgendwie riß diese Musik mich diesmal nicht so mit wie sonst. Ich hörte immer wieder die Stimme des Nachrichtensprechers, der eine Litanei von Mord und Krieg und Katastrophen verlas.
    Der Himmel war so blau wie eh und je. Die Sonne war nie wärmer gewesen, die Brise nie erfrischender. Und doch hatte ich keine Freude an diesem herrlichen Tag.
    Die Stimme dieses verdammten Nachrichtensprechers dröhnte in meinem Kopf, und ich konnte sie einfach nicht abstellen.
    An jenem Abend aßen wir in einem ausgezeichneten kleinen italienischen Restaurant und tranken zuviel guten Wein.
    Später liebten wir uns und kamen mühelos zum Höhepunkt. Es hätte sehr befriedigend sein müssen.
    Am nächsten Morgen war der Himmel wieder blau, die Sonne warm, die Brise erfrischend — und trotzdem hatte das alles für mich keinen Reiz.
    Während wir mittags am Strand unseren Picknickkorb leerten, sagte ich: »Sie mag tot sein, aber sie sollte wenigstens nicht vergessen werden.«
    Rya stellte sich dumm. »Wer?«
    »Du weißt, wer.«
    »Kitty Genovese«, sagte sie.
    »Verdammt«, murmelte ich. »Ich will wirklich nur meine Hörner einziehen und mit dir in der

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