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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Klinge streifte an seinem Arm entlang und schrammte seinen Schädel, ohne aber großen Schaden anzurichten.
    Den Bruchteil einer Sekunde später ging er von der Defensive zur Offensive über, und ich begriff, daß ich in Schwierigkeiten war. Zwar lag ich noch auf ihm und drückte ihn auf das Kleinauto hinab, doch er vereitelte geschickt meinen Versuch, ihm mit dem Knie in den Unterleib zu treten, und packte mich gleichzeitig an meinem T-Shirt. Ich wußte, daß seine andere Hand es auf meine Augen abgesehen hatte, deshalb warf ich mich zurück, wobei ich mich mit einem Fuß auf seiner Brust abstemmte. Das T-Shirt zerriß der ganzen Länge nach, aber ich war frei, taumelte rückwärts und landete zwischen zwei Wagen auf dem Boden.
    Ich habe in der großen genetischen Lotterie, die offenbar Gottes Vorstellung von einem effektiven Management entspricht, nicht nur meine übersinnlichen Kräfte gewonnen, sondern auch eine natürliche sportliche Begabung, und ich war von jeher flink und geschickt. Andernfalls hätte ich meinen ersten Kampf mit einem Troll — meinem Onkel Denton — niemals überlebt, geschweige denn diese alptraumhafte Konfrontation zwischen den elektrischen Autos.
    Die Taschenlampe war während unseres Kampfes auf den Holzboden gefallen und ausgegangen, so daß wir uns jetzt nur noch im schwachen milchigen Schein des verblassenden Mondes vage erkennen konnten. Ich war noch nicht wieder auf den Beinen, als er schon auf mich zustürzte. Mein verzweifelter, in weitem Bogen von unten nach oben geführter Messerstoß verfehlte ihn knapp, weil er sich in letzter Sekunde zurückwarf. Als die Klinge wenige Millimeter vor seiner Nasenspitze die Luft durchschnitt, packte er mich am Handgelenk. Dank seiner imposanten Statur war er viel stärker als ich und konnte meinen rechten Arm mit eisernem Griff über meinem Kopf festhalten.
    Er holte mit seiner geballten Rechten zum Schlag gegen meinen Hals aus, zu einem mörderischen Schlag, der meine Luftröhre eingedrückt hätte, wenn ich nicht blitzschnell den Kopf gesenkt und mich zur Seite gedreht hätte. Seine Faust landete deshalb etwas oberhalb meines Nackens. Das war schlimm genug. Ich konnte nicht atmen, Tränen schossen mir in die Augen, und ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe.
    Wie durch einen dunklen Schleier hindurch sah ich ihn zum nächsten Boxhieb ausholen. In meiner Panik und Verzweiflung tat ich instinktiv das einzig Richtige: Ich warf mich ihm entgegen, umklammerte ihn mit meiner freien Hand und preßte mich so fest an ihn, daß er nicht mehr kraftvoll zuschlagen konnte. Und nachdem ich inzwischen auch wieder Luft bekam, schöpfte ich neue Hoffnung.
    Wir stolperten eng umschlungen zwischen den Autos umher oder drehten uns keuchend im Kreis, und da er noch immer mit der linken Hand mein rechtes Handgelenk hoch über unseren Köpfen festhielt, muß es fast so ausgesehen haben, als führten wir ohne Musik einen unbeholfenen Apachentanz auf.
    Als wir in die Nähe der hölzernen Umzäunung kamen, wo das silbriggraue Mondlicht am hellsten war, blickte ich plötzlich mit ungewöhnlicher und bestürzender Klarheit durch die menschliche Hülle meines Gegners hindurch, nicht etwa wegen des Lichts, sondern weil meine psychischen Kräfte für einen Moment zuzunehmen schienen. Seine menschlichen Gesichtszüge verblaßten, bis sie einer kaum wahrnehmbaren Glasmaske glichen. Unter der nunmehr völlig transparenten Kostümierung traten die scheußlichen Einzelheiten des dämonischen Hund-Schwein-Wesens so deutlich und real zutage, wie ich es nie zuvor erlebt hatte — und auch gar nicht erleben wollte. Seine lange Zunge, gespalten wie die einer Schlange, voller Warzen, fettig und dunkel, hechelte zwischen den spitzen Zähnen. Zwischen der oberen Lefze und der Schnauze schien verkrusteter Schleim zu kleben, der sich bei näherem Hinsehen jedoch als Ansammlung von schuppigen Muttermalen, kleinen Blasen und borstigen Warzen entpuppte. Die fleischigen Nüstern waren gebläht und zitterten heftig. Die fleckige Haut wirkte ungesund, schlimmer noch, verfault.
    Und die Augen!
    Die Augen!
    Sie fixierten mich, diese roten Augen mit ihrer schwarzen Iris wie aus gesplittertem Glas, und während wir dort an der Umzäunung des Pavillons kämpften, hatte ich einen Moment lang das schreckliche Gefühl, in diesen Augen zu versinken, so als wären es bodenlose, mit Feuer gefüllte Brunnen. Ich entdeckte darin einen sengenden Haß, aber sie spiegelten noch viel mehr wider als diesen

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