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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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normalisierte sich. Die stickige Augustnacht hatte meine Haut schon vor Stunden mit einem Schweißfilm überzogen, nun aber war ich regelrecht schweißgebadet. Ich zog mein T-Shirt hoch und wischte mir damit das Gesicht ab.
    Teilweise in der Hoffnung, daß es mir gelingen würde, meine vagen Vorahnungen von drohender Gefahr irgendwie zu konkretisieren und zu erkennen, welcher Art das Verhängnis sein würde, teilweise aber auch, weil ich fest entschlossen war, mich von der düsteren Ausstrahlung der gewaltigen Maschine nicht einschüchtern zu lassen, legte ich meinen Rucksack ab und breitete meinen Schlafsack aus, um die letzten Nachtstunden dort zwischen den blassen Mustern aus schwarzen Schatten und aschgrauem Mondlicht zu verbringen. Die Luft war noch immer so warm, daß ich den Schlafsack nur als Matratze benutzte. Auf dem Rücken liegend, starrte ich intensiv zum Riesenrad empor, aber so sehr ich mich auch bemühte — ein weiterer Blick in die Zukunft blieb mir versagt. Stattdessen sah ich zwischen den Verstrebungen funkelnde Sterne, sann über die unvorstellbaren Ausmaße des Universums nach und fühlte mich einsamer denn je.
    Nach etwa einer Viertelstunde wurde ich schläfrig, doch gerade als mir die Augen zufallen wollten, hörte ich ein Geräusch — ein Knistern, so als sei jemand auf eine weggeworfene Bonbontüte oder etwas Ähnliches getreten. Plötzlich wieder hellwach, setzte ich mich auf und lauschte angespannt. Das Knistern wiederholte sich nicht, doch ich hörte nun das Dröhnen schwerer Schritte auf harter Erde.
    Gleich darauf huschte ein Schatten über den freien Platz vor dem Riesenrad, verschwand dahinter im Dunkeln, kaum sechs Meter von mir entfernt, und tauchte im nächsten Moment neben dem Kettenkarussell wieder auf. Ein sehr großer Mann — oder ließen ihn nur die Schatten, voluminösen Mänteln gleich, so riesig erscheinen? Er eilte davon, ohne mich bemerkt zu haben. Ich hatte nur einen flüchtigen Blick auf ihn werfen können und sein Gesicht überhaupt nicht gesehen, aber ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf, zitterte am ganzen Leibe und fror plötzlich trotz der Augusthitze, denn das wenige, das ich von ihm gesehen hatte, genügte vollauf, um mir einen Schauder über den Rücken zu jagen.
    Es war einer von denen.
    Ich zog mein Messer aus dem Stiefel. Funkelnde Mondstrahlen züngelten über die Schneide.
    Ich zögerte. Ich sagte mir, daß es am vernünftigsten wäre, meinen Schlafsack zusammenzurollen, von hier zu verschwinden und irgendwo anders unterzuschlüpfen.
    Oh, aber ich hatte es so satt, ständig auf der Flucht zu sein. Ich brauchte einen Platz, wo ich mich zu Hause fühlen konnte. Ich war des Wanderlebens überdrüssig, und ich war schon ganz wirr im Kopf von zu vielen Autobahnen, zu vielen Städten, zu vielen fremden Menschen, zu vielen Veränderungen. Während der vergangenen Monate hatte ich auf sechs verschiedenen Jahrmärkten gearbeitet, aber das waren unbedeutende Volksfeste und Kleinmessen gewesen, sozusagen die Unterschicht des Schaustellergewerbes, und überall hatte ich gehört, daß man ein viel besseres Leben hätte, wenn man bei einer großen Organisation wie E. James Staates, den Vivona Brothers, Royal American oder den Sombra Brothers fest engagiert wäre. Und nachdem ich jetzt im Dunkeln durch diesen Vergnügungspark geschlendert war und sowohl physische als auch psychische Eindrücke aufgenommen hatte, wollte ich hierbleiben. Trotz der finsteren Aura in der unmittelbaren Umgebung des Riesenrades, trotz meiner Vorahnungen, daß hier in den nächsten Tagen Blut fließen würde, sagte mir die Gesamtatmosphäre dieses Rummelplatzes zu, und ich spürte, daß ich hier auch Glück finden könnte. Nie hatte ich mir etwas so sehr gewünscht wie hierbleiben zu können.
    Ich brauchte ein Zuhause und Freunde.
    Ich war erst siebzehn.
    Aber wenn ich hierbleiben wollte, mußte er sterben. Ich konnte nicht in dieser Gemeinschaft leben, solange einer von denen hier hauste.
    Ich behielt das Messer in der Hand.
    Ich folgte ihm, vorbei am Kettenkarussell und an der Schiffschaukel, wobei ich mir größte Mühe gab, nicht auf irgendwelche Abfälle zu treten oder über die dicken Stromkabel zu stolpern. Wir bewegten uns leise auf das dunkle, stille Zentrum des Rummelplatzes zu.

2 - Der Troll
     
    Er führte nichts Gutes im Schilde, aber das ist bei seinesgleichen immer so. Er eilte durch den nächtlichen Archipel, brachte die Inseln aus Mondlicht hastig hinter sich und

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