Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwillinge der Finsternis

Zwillinge der Finsternis

Titel: Zwillinge der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Sonnleitner
Vom Netzwerk:
Schnurrbart konnte noch so aufgeregt auf und ab wippen und das Gesicht noch so rot anlaufen – von dem Reifenmörder war weit und breit nichts zu sehen.
    »Unglaublich! Was sind das nur für Zeiten!«, schnaubte Titus schließlich noch einmal wütend und kletterte dann grummelnd auf die Ladefläche, wo der Ersatzreifen verstaut war.
    »So ein Idiot!«, schimpfte auch Justus erbost und stieg ins Führerhäuschen, um den Wagenheber herauszuholen.
    Doch gerade, als er unter dem Beifahrersitz nach dem Werkzeug suchte, hörte er plötzlich seinen Onkel aufschreien: »Hey! Was machen Sie da? Das ist doch ... Finger weg!«
    Blitzschnell richtete sich Justus auf und sah durch die Heckscheibe nach hinten. Zuerst nahm er nur seinen Onkel wahr, der mit hoch erhobener Faust über den rechten Rand der Ladefläche hinabschimpfte. Er folgte dessen Blick und erkannte gerade noch einen schwarzen Schatten, der dort im nächsten Moment unter der seitlichen Ladeklappe verschwand.
    Justus wirbelte herum, stieß die Fahrertür auf und stürzte eine Sekunde später ins Freie. Er rannte um die Motorhaube herum, rief auf Verdacht einfach »Stehen bleiben!« – und verharrte mit einem Mal wie versteinert.
    Ein Paar dunkler Augen starrte ihn böse an. Unter einer schwarzen Kapuze hervorstechend, die sich in einen langen, wallenden Umhang fortsetzte, der außen ebenfalls pechschwarz und innen mit einem purpurroten Futter besetzt war, bannte ihn ihr feindseliger Blick förmlich an Ort und Stelle fest.
    Unfähig zu handeln, registrierte Justus nur noch wie paralysiert, was sich da vor ihm abspielte. Es kam ihm vor, als würde sich alles unendlich langsam zutragen, als würde eine dickflüssige, zähe Masse die Bewegungen lähmen, ganz wie er das aus den schweren Albträumen kannte, die ihn als Kind manchmal heimgesucht hatten und denen er nie hatte entkommen können.
    Wie in Zeitlupe sah Justus die Gestalt sich aufrichten und die schwarze Hand aus der Kiste mit Büchern ziehen, die ganz oben auf dem Rollwagen stand. Fast bedächtig verschwand eines der Bücher, ein in schwarzes Leder gebundenes, unter dem Mantel der Erscheinung, die sich daraufhin langsam umdrehte. Einer schwarzen Wolke gleich schwebte der wallende Umhang durch Justus’ Gesichtsfeld und zerteilte mit einem gedämpften, bedrohlichen Rauschen die Luft. Dann griff die Kreatur träge aus und flog mit schwerelos langen Schritten davon.

Der Schatzsucher
    Peter zielte mit der Schraube auf die Blechdose, die etwa zwei Meter von ihm entfernt auf dem Boden stand, und warf. Ein blechernes Scheppern bestätigte ihm einen Wimpernschlag später, dass er getroffen hatte.
    »Ja!«, freute sich der Zweite Detektiv und ballte die Faust. Dann wandte er sich wieder Justus zu. Der war gerade dabei, die am Vortag auf der Versteigerung erstandenen Gegenstände auf dem Schrottplatz zu verstauen. »Und du konntest gar nichts machen?«, fragte er ihn erstaunt über das, was ihm sein Freund gerade über die merkwürdige Begebenheit am Pick-up erzählt hatte. »Du bist ihm nicht nachgelaufen, oder so?«
    »Ich sagte doch, ich konnte nicht!«, antwortete Justus unwirsch. »Es war einfach ... verrückt! Als hätte mir jemand den Stecker rausgezogen! Ich konnte nur noch dastehen und zuschauen.«
    »Und Titus?« Bob blies den Holzstaub von seinem Klotz und schnitzte dann konzentriert weiter. »Was hat Titus getan?«
    »Der schimpfte wie ein Bierkutscher, konnte aber auch nicht schnell genug von der Ladefläche herunterklettern. Denn eigentlich passierte der Diebstahl ja innerhalb von zwei oder drei Sekunden. Nur mir kam es, wie gesagt, so vor, als stünde ich mitten in einem bösen Albtraum, dem ich nicht entrinnen konnte. Ihr wisst schon, die Sorte, die man als Kind oft –«
    »Schon klar«, winkte Peter beschwichtigend ab. Er wollte gar nicht so genau daran erinnert werden, wie sich Albträume anfühlten. Der Zweite Detektiv war nicht unbedingt der nervenstärkste der drei Jungen. Und prompt schmiss er auch die nächste Schraube weit neben die Dose.
    »Ist schon irgendwie komisch die Sache«, meinte hingegen Bob nachdenklich und betrachtete sein primitives Schnitzwerk, das irgendwann einmal eine Art Teufelskopf werden sollte.
    »Ich kann es mir nur so erklären«, überlegte Justus und rollte den staubigen Lamateppich neu auf, »dass mich die ganze Szene an irgendein frühkindliches Trauma erinnert hat, das bei mir sozusagen eine emotionale Urangst ausgelöst hat. Vielleicht habe ich als Kleinkind einmal

Weitere Kostenlose Bücher