Zwillinge der Finsternis
Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, saugte er die unwirklichen Eindrücke in sich auf, ohne sie zu verstehen.
Aber ganz tief drin in ihm rührte sich plötzlich so etwas wie ein Erkennen. Ohne sein Bewusstsein zu erreichen, hatte eine Erinnerung die Stimmen wiedererkannt. Und ohne dass Sinclair das gewollt hätte, quälte sich ein kläglicher, fragender Laut über seine zitternden Lippen: »Justus?«
»Er ist es wirklich«, sagte der Angesprochene kalt.
»Aber du bist ... ihr ... seid«, stammelte Sinclair fassungslos.
»Tot?«, ergänzte der zweite Geist. »Da haben Sie vollkommen recht, und Sie müssen das auch am besten wissen, denn Sie haben uns schließlich dort unten in dieser Gruft ersticken lassen.«
»Aber ... ich ... wollte ...« Sinclair begann heftig zu schnaufen. Alles drehte sich um ihn.
»Karriere machen!«, bedrängte ihn der dritte Geist. »Und den zweifelhaften Ruf Ihrer Familie retten! Das wollten Sie!«
»Und – nicht zu vergessen – vorteilhaft heiraten, das wollte er auch«, fügte das zweite Gespenst hinzu.
»Ja, aber«, keuchte Sinclair, »aber –«
»Was aber?«, fragte der Geist namens Justus nach.
»Aber das«, Sinclair atmete schneller und schneller, »das war ... doch ... ich ... konnte ...« Der Mann brach mitten im Satz ab und griff sich asthmatisch röchelnd erst an den Hals, dann an den Kopf. Seine Augen zuckten im Widerschein der drei Unwesen wie Irrlichter von rechts nach links und flatterten dann blind auf der Stelle. Es war offenbar, dass er das alles nicht mehr lange durchhielt und kurz davor war überzuschnappen.
»Wir kommen ab sofort jede Nacht und manchmal auch am Tag wieder!«, drohte der zweite Geist jetzt. »Wir wollen, dass Sie sich bei uns entschuldigen! Zeigen Sie Reue! Sagen Sie uns, dass es Ihnen leidtut!«
»Ja!«, flüsterte Sinclair erst leise, um in der nächsten Sekunde laut herauszubrüllen: »Ja! Ja! Ja! Es tut mir leid! Ich wollte euch nicht umbringen! Ich wollte euch nicht in diesen Keller sperren! Bitte! Bitte, lasst mich in Frieden! Bitte!«
Stille. Die drei Geister verstummten für einen Moment. Dann steckten sie die verwesenden Köpfe zusammen, als ob sie sich berieten. Schließlich öffnete der erste Geist den Mund und rief: »Reicht das, Inspektor Cotta?«
»Ein astreines Geständnis!«, hallte es fröhlich aus der Dunkelheit zurück. Dann ging das Licht wieder an. Sinclair hörte auf zu hecheln, blinzelte und rieb sich die Augen. Und dann klappte ihm der Mund auf.
»Wir sind’s!«, rief ihm Peter grinsend entgegen und nahm sich schon einmal die kunstvoll arrangierte Körperbeleuchtung ab. Die Witherspoon-Brüder hatten ja schon reichlich Erfahrung gesammelt, wie man bestimmte Effekte erzielen konnte, und den drei ??? diese Grusellämpchen angelegt.
»Oder glauben Sie etwa an Geister?« Bob schaute den Mann unschuldig aus seinem hervorragend hingeschminkten Zombie-Gesicht an. Peter hatte seinen Vater, der als Fachmann für Spezialeffekte beim Film arbeitete, dazu überredet, ihm einen ausgezeichneten Visagisten vom Set zu besorgen. Er bräuchte das für ein Schulreferat, hatte er seinem Dad erzählt, und den Make-up-Künstler danach gebeten, den wahren Grund für seine Arbeit bitte für sich zu behalten.
»So trifft man sich wieder«, lächelte Justus Sinclair verschmitzt entgegen und wies mit der Hand auf den Mann, der sich an den Rand des Lesesaals zurückgezogen hatte und sich jetzt wieder näherte. »Darf ich vorstellen? Inspektor Cotta vom Police Department Rocky Beach alias Mr Costa. Und diese drei Herren kennen Sie ja schon.«
Aus der Tür zum Archiv traten nun auch Jeremy und Barnaby Witherspoon sowie Notar Peastone in den Saal und stellten sich neben die drei Jungen. Aber die Männer schienen im Gegensatz zu den Jungen alles andere als gut gelaunt zu sein und starrten Sinclair böse an.
»Du Mörder!«, schleuderte Jeremy dem Millionär entgegen, der nur langsam seine Fassung wiederzufinden schien.
»Mordversucher!«, verbesserte Peter.
Cotta warf ihm einen strengen Blick zu. Der Inspektor kannte die drei ??? aus unzähligen Fällen, in denen er mit ihnen schon zusammengearbeitet hatte, sehr gut und wusste ihre detektivischen Qualitäten sehr wohl zu schätzen. Doch im Augenblick hatte er das Gefühl, dass sie alles nur als Spiel betrachteten und die Sache nicht ernst genug nahmen. Und ein Mordversuch war eine durchaus ernste Sache. Nur ungern hatte er sich daher auch zu der eben veranstalteten Inszenierung
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