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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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Einführung
    Im Mittleren Osten steht das Politbarometer auf Sturm. Versuche, Krisen beizulegen, verkehren sich in ihr Gegenteil. Bis heute sind Diplomaten und Militärs gescheitert, das Ausufern der Gewalt einzudämmen. Der Konflikt um Irans Atomprogramm eskaliert, in Teilen Iraks herrscht Bürgerkrieg, und in Afghanistan gewinnen die Taliban erneut an Boden. Auch im Nahen Osten zeigen der Libanonkrieg und die Kämpfe im Gazastreifen, dass die Gewalt immer wieder ausbricht, solange die Ursachen der Konflikte ungelöst bleiben.
    Scheitern prägt die westliche Politik im Orient. In immer neuen Formen tritt der Terrorismus auf. Militante Organisationen in der arabischen und islamischen Welt sehen im Terror die wirkungsvollste Kampfform in der Auseinandersetzung mit dem Abendland. In den Staaten des Westens verüben Einwanderer oder gar deren dort geborene Kinder Anschläge, ohne dass sie dabei aus dem Orient angeleitet werden. Der Preis, den die Welt bei dieser Eskalation der Gewalt zahlen muss, lässt sich noch nicht abschätzen.
    Mich irritiert die Leichtfertigkeit, die viele Politiker in Europa und den USA veranlasst zu glauben, Menschen im Orient wünschten sich nichts sehnlicher, als an der westlichen Zivilisation teilzuhaben. Dabei zeigt sich immer deutlicher, dass weite Teile der islamischen Welt Lebensweisen ablehnen, wie sie sich in den westlichen Industriegesellschaften ausgeprägt haben. Oft bildet Angst vor Überfremdung das entscheidende Motiv für die Gewaltausbrüche: sei es, dass sich Händler in Bazaren vor der Ausbreitung der Filialen von Supermarktketten fürchten, dass Stammesführer um ihre Vormachtstellung in seit Jahrhunderten von ihnen kontrollierten Gesellschaften bangen, dass sich Mütter um die Moral ihrer Töchter sorgen oder dass Geistliche gleich den Glauben insgesamt gefährdet sehen. Aus unterschiedlichen Motiven speist sich eine zunehmende Ablehnung der abendländischen Kultur, die nur zu leicht in Aggressionen gegen alles Fremde umschlägt. Dem Westen wird unterstellt, Begriffe wie »Frieden« und »Demokratie« zu missbrauchen, um die Region in wirtschaftliche und politische Abhängigkeit zu bringen.
    In solch einer Atmosphäre können bereits kleine Fehler von Politikern, ungeschicktes Verhalten von Diplomaten oder falsches Auftreten von Soldaten Gräben vertiefen oder gar Brücken einreißen, die zwischen Orient und Okzident existieren und eigentlich genutzt werden müssten, um gemeinsame Interessen zu stärken und kulturelle Gegensätze zu überwinden. Den Akteuren vor Ort fehlt sehr häufig die Kraft, ihre Differenzen friedlich aus der Welt zu schaffen.
    Im israelisch-arabischen Konflikt bricht die Gewalt periodisch immer wieder aus. Terror auf der einen Seite und staatliche Vergeltung auf der anderen (so die israelische Sicht) oder (vom Standpunkt der Araber aus) Besatzung durch eine fremde Macht und Terror als wirkungsvollste Form des Widerstands dagegen bilden eine Spirale der Gewalt. Keine der beiden Seiten ist in der Lage, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
    Die Unfähigkeit, den Konflikt um das iranische Atomprogramm bereits in seinen Anfängen zu entschärfen, das bisherige Scheitern beim Aufbau einer Zivilgesellschaft im Irak wie in Afghanistan und die Hilflosigkeit gegenüber dem Terrorismus haben ähnliche Ursachen. Kulturen und Traditionen des Morgenlandes werden ignoriert und bei der Lösung von Problemen nicht berücksichtigt.
    Wie sonst können Politikern Begriffe wie »Kreuzzug« 1 in der Auseinandersetzung mit dem Orient über die Lippen kommen? US-Präsident George W. Bush macht es sich zu leicht, wenn er meint, in gewissen Teilen der Welt werde er falsch interpretiert. Denn nur zu oft handelt es sich um mehr als Missverständnisse oder Naivität. Wenn in den Demokratien des Westens nicht einmal mehr vorstellbar ist, dass dort Zivilisten von Soldaten auf das Fürchterlichste gefoltert, erniedrigt oder sogar ermordet werden, warum nimmt man es dann ohne größere Anzeichen von Empörung hin, dass Soldaten westlicher Staaten solche Verbrechen im Orient begehen? Mit Doppelmoral allein lässt sich dieses unterschiedliche Verhalten nicht erklären. Arroganz und Überlegenheitsgefühl führen zur Verharmlosung, wenn es um die Bewertung verbrecherischer Aktionen in der Fremde geht. Dann darf es nicht verwundern, wenn sich die Kluft zwischen Morgen-

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