Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
eine Auge, das sie sehen konnte, trat aus seiner Höhle hervor und wirkte irgendwie kuhartig. Das Gesicht, das zuvor hochrot gewesen war, begann sich nun purpurrot zu verfärben. Er sank wieder zurück. Sie wartete, während sie keuchend nach Atem rang, ihr Gesicht mit Rotz und Tränen verschmiert. Das Auge rollte nicht mehr, glänzte nicht mehr in Panik. Sie glaubt, er sei t…
Bob nahm all seine Kräfte zu einem letzten titanischen aufbäumen zusammen und warf sie ab. Als er sich aufsetzte, sah sie, dass die obere Körperhälfte nicht mehr richtig zur unteren passte; er hatte sich anscheinend nicht nur das Genick, sondern auch das Rückgrat gebrochen. Sein mit dem Plastikbeutel vollgestopfter Mund war weit aufgerissen. Den Blick, mit dem er sie anstarrte, würde sie nie vergessen - aber sie würde damit leben können, wenn sie diese Sache überstand.
»Dar! Arrrrrr!«
Er fiel nach hinten. Der auf den Boden knallende Schädel knackte wie ein Ei, das aufgeschlagen wurde. Darcy kroch näher an ihn heran, aber nicht so dicht, dass sie in die Blutlache geriet. Sie hatte sein Blut an sich, und das war in Ordnung - sie hatte ihm zu helfen versucht, das war nur natürlich -, aber das bedeutete nicht, dass sie darin baden wollte. Sie setzte sich auf eine Hand gestützt auf und beobachtete ihn, während sie darauf wartete, dass sie wieder zu Atem kam. Sie achtete scharf auf jede noch so kleine
Bewegung. Aber er rührte sich nicht mehr. Als auf der mit Brillanten besetzten kleinen Michele an ihrem Handgelenk - die sie immer trug, wenn sie ausgingen - fünf Minuten vergangen waren, streckte sie eine Hand aus, um an der Seite seines Hals nach einem Puls zu fühlen. Sie ließ die Finger an die Haut gedrückt, bis sie bis dreißig gezählt hatte, aber sie spürte absolut nichts. Sie legte ein Ohr auf seine Brust und war sich bewusst, dass dies in einem Horrorfilm der Augenblick gewesen wäre, in dem er zum Leben erwacht und sie gepackt hätte. Aber das tat er nicht, weil in seinem Körper kein Leben mehr war: kein schlagendes Herz, keine atmende Lunge. Es war vorüber. Sie empfand keine Befriedigung (und erst recht keinen Triumph), sondern nur konzentrierte Entschlossenheit, die Sache richtig zu Ende zu bringen. Teils für sich selbst, aber hauptsächlich für Donnie und Pets.
Sie gingen eilig in die Küche. Die Ermittler mussten denken, dass sie so rasch wie möglich angerufen hatte; wenn sie sahen, dass es eine Verzögerung gegeben hatte (zum Beispiel daran, dass sein Blut schon zu stark geronnen war), konnte es peinliche Fragen geben. Notfalls sage ich, dass ich ohnmächtig geworden bin, dachte sie. Das werden sie glauben, und selbst wenn sie das nicht tun, können sie es nicht widerlegen. Zumindest glaube ich nicht, dass sie das können.
Sie holte die Stablampe aus dem Besenschrank, genau wie sie es in jener Nacht getan hatte, in der sie buchstäblich über sein Geheimnis gestolpert war. Mit der Lampe ging sie zu Bob zurück, der auf dem Rücken lag und mit glasigen Augen zur Decke hinaufstarrte. Sie zog den Plastikbeutel aus seinem Mund und begutachtete ihn sorgenvoll. Falls er zerrissen war, konnte es Probleme geben - und er wies tatsächlich zwei Risse auf. Sie leuchtete ihm mit der Stablampe in den Mund und entdeckte auf der Zunge ein winziges
Fetzchen Plastik. Sie angelte es mit den Fingerspitzen heraus und ließ es in den Plastikbeutel fallen.
Genug, das reicht, Darcellen.
Aber es reichte natürlich nicht. Sie dehnte seine Backen mit den Fingern, erst die rechte, dann die linke. Und auf der linken Seite entdeckte sie einen weiteren winzigen Plastikfetzen, der an seinem Gaumen klebte. Sie holte ihn mit den Fingerspitzen heraus und ließ ihn zu dem anderen in den Beutel fallen. Gab es weitere Stücke? Hatte er welche verschluckt? Dann waren sie für sie unerreichbar, und sie konnte nur hoffen, dass sie nicht entdeckt wurden, falls irgendjemand - wer, wusste sie nicht - genügend Fragen hatte, um eine Autopsie anzuordnen.
Unterdessen verflog die Zeit.
Sie hastete - ohne richtig zu rennen - durch den Verbindungsgang in die Garage. Sie kroch unter die Werkbank, öffnete sein Spezialversteck und verstaute den mit Blut befleckten Plastikbeutel mit dem Geschirrtuch darin. Sie drückte die Verschlussklappe wieder zu, schob den Karton mit den Versandhauskatalogen davor und lief ins Haus zurück. Sie stellte die Stablampe an ihren Platz zurück. Sie griff nach dem Telefon, merkte dann, dass sie nicht mehr weinte, und
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