Zwölf Wasser Zu den Anfängen
rückgängig zu machen. Es war unmöglich. Ihn aber dennoch anwesend sein zu lassen war erstaunlich leicht. Felt musste sich nur in die Höhle zurückdenken, das Plätschern des Brunnens für das Blubbern der Quelle halten und über Revas Worte Wigos Stimme legen.
»›Die Verschiedenheit der Schwestern war stark ausgeprägt, vielleicht gerade
weil
sie sich äußerlich so ähnlich waren. Während Asing sich voll und ganz auf das Feuer konzentrierte und seine Kraft bis ins Dämonische hinein zu beherrschen lernte, waren Aslis Interessen weit gefächert. Sie war umfassend gebildet, sie war eine große Adeptin. Aber sie war nicht bereit, bestimmte Grenzen zu überschreiten. Deshalb und weil sie während ihrer ganzen Zeit in Pram bereits an ihrem Verschwinden arbeitete, ist ihr Wirken unscheinbar, sind ihre Fähigkeiten unbekannt geblieben. Ihre Schwester hat sie mit ihrem Feuerzauber überstrahlt. Aber Asli war Segurin und in ihr wohnte wie in allen Seguren eine Leidenschaft – die Leidenschaft, Wissen anzuhäufen, die Sehnsucht, es zu mehren, indem sie es mit anderen teilte. Die Seguren sind keine Geheimnistuer oder Eigenbrötler, sie lieben es, sich auszutauschen. Nur sind meist alle anderen ihnen so weit unterlegen, dass kein wahrer Gedankenaustausch stattfindet und sie am Ende doch nur wieder untereinander diskutieren und für sich forschen. Das allein reicht schon, um ihnen fortwährend dunkle Absichten zu unterstellen.Dass sie uns Schulen bauen und Theater, ist schnell vergessen – das ist der Dank einer Welt, die zu dumm ist, um wahre Größe zu erkennen. Aber ich schweife ab, zurück zu Asli. Sie war leidenschaftlich, sie war gern in Gesellschaft. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass ein Mann wie Sardes ihr Interesse erregte. Ich wage die Behauptung, dass nicht er sie verführte, sondern sie ihn. Aber, und das will ich ausdrücklich betonen, das ist Spekulation. Ich habe mehrfach versucht, es gewissermaßen aus erster Hand zu erfahren, aber wenn ich mich dem Thema auch nur nähere, brummt Sardes und lässt mich stehen. Wie auch immer die Annäherung zwischen den beiden vonstattenging, sie geschah gewiss nicht mit der Wucht, mit der Asing sich auf Palmon gestürzt hatte. Es bereitet mir großes Vergnügen, mir vorzustellen, dass ihre Liebe ein leise dahinplätschernder Bach war, der erst durch den steten Regen ihrer langen Gespräche anschwoll zu einem unaufhaltbaren Strom. Sie saßen beim Quellbrunnen und sprachen über das Wasser – damals hatte Prams Quelle noch genug Kraft und stieg nach oben. Das Wasser wurde in einen marmornen Brunnen geleitet, der in einem zentralen Raum im Westflügel des Palasts untergebracht war, man musste nicht in den Keller gehen. Dieser Raum ist heute verschlossen. Ich habe mir dennoch Zutritt verschafft während meiner Nachforschungen – ich brauchte lediglich eine Wache zu finden, die dem Weißglanz verfallen war, und das sind mehr, als man annehmen möchte. Der alte Quellsaal ist ein verwunschener, man möchte beinahe sagen: mystischer Ort. Als ich dort stand, mit Blick auf den trockenen, staubigen Brunnen, wurde mir bewusst, dass auch Pram nicht unbeschadet aus der Schlacht hervorgegangen war. Welsien war völlig vernichtet, das ist wahr. Aber auch Pram hatte etwas verloren. Etwas, das weniger offensichtlich, weniger fassbar ist: eine Hinwendung zu bestimmten Werten,eine Opferbereitschaft, eine Freigiebigkeit, die Grundhaltung, erst einmal zu geben und später nach der Bezahlung zu fragen – wenn überhaupt. Die Stadt war bankrott, nachdem Palmon den Kwothern ihren Sold ausbezahlt hatte, mit der Großzügigkeit war es vorbei. Nun, die Quelle war nicht völlig vertrocknet, aber ich bin mir sicher, dass ein Mann wie Kandor nicht eine solche Macht erlangt hätte, würde sie heute noch so munter sprudeln, wie sie es vor der Schlacht getan hatte. Die Quelle hatte sich verausgabt und mit ihr Sardes. Palmon hatte sich verausgabt, genauso wie Asing und letztlich auch Asli. Alle waren in Mitleidenschaft gezogen, der Preis für die Vernichtung Welsiens war hoch. Es gab keine Gewinner in diesem Krieg, aber weil der Tod auf welsischer Seite so offensichtlich war, während er auf pramscher Seite hinter den Kulissen blieb, konnte man hier den strahlenden Sieg bis nach vorn an die Rampe schicken. Alles Theater. Ich behaupte, dass der Tod immer noch in der Kulisse sitzt und sich auf seinen Auftritt vorbereitet. Das wird eine Vorstellung, die die Welt
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