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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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auch war, er war wohlhabend. Er bezahlte viel für ein paar Zeichnungen, und je wilder und unsinniger sie waren   – dämonische Krieger mit Wolfsköpfen, geflügelte Frauen mit unbedeckten Brüsten, feuerspeiende Pferde   –, desto dringender musste er sie haben. Die Händler erzählten Babu die abenteuerlichsten Geschichten aus der Alten Zeit, in der erst wenige Menschen den Kontinent besiedelten und in der die Welt eine Stimme gehabt hatte. Einer Zeit, als das Rascheln der Gräser im Wind noch verständlich war, als die Flüsse noch sprachen   – mit jedem, der vorbeikam und an ihren Ufern Rast machte. Die Alte Zeit sei schön gewesen, sagten die Flussschiffer, aber auch schrecklich, denn genau solche Wesen, deren Abbilder Babu in den Händen hielt, seien damals Wirklichkeit gewesen und hätten den Kontinent heimgesucht. Babu lauschte mit rundenAugen und ab und zu stellte er Fragen in seinem holprigen, mit einem starken Akzent eingefärbten Pramsch.
    Und vor gut zwei Soldern war die Alte Zeit dann tatsächlich nach Bator Ban gekommen, in Gestalt jener drei Männer mit ihren Raubvögeln, die so groß waren wie zehnjährige Kinder.
    »So was hast du wohl noch nie gesehen«, sagte einer der Schiffer mit gesenkter Stimme, vielleicht aus Ehrfurcht, vielleicht aus Angst. Er sah auf seine rissigen Hände, als die drei dunklen Männer mit ihren Vögeln von Bord gingen, direkt an ihm und Babu vorbei. Große, gelbe Klauen krallten sich in schwarze Lederhandschuhe. Verborgen unter Hauben drehten sich die Köpfe der Vögel ruckartig, sie überragten die der Träger und es wirkte, als führten die Vögel die Menschen und nicht umgekehrt. »Szaslas. Falken aus der Alten Zeit. Kommen aus dem Süden, sagt man, wissen tut man’s nicht. Waren fast vergessen, hätten auch vergessen bleiben sollen. Die sind kein gutes Zeichen.«
    Der Schiffer sprang wieder an Bord und an der Art, wie er die Tampen festzog, sah Babu: Der Mann war froh, die Passagiere von seinem Boot herunter zu haben. Er versicherte sich mit schnellen Griffen an Holz, Eisen und Tauwerk, dass seine Welt noch in Ordnung war und nicht etwa durch den Transport von etwas Altem, Fremdem Schaden genommen hatte.
    Der Thon aber empfing die Vogelmenschen wie Prinzen. Dem Wunsch nach einem frei stehenden, ruhigen Haus mit großem Innenhof für die Szaslas wurde umgehend entsprochen. Die anfängliche Skepsis der Merzer gegenüber den Falknern verging schnell, denn die Vögel waren fantastische Jäger, nichts entging den lidlosen, gelben Augen, nichts entkam den messerscharfen Klauen. Es war aber nicht nur der Erfolg ihrer Falken bei der Ausrottung der Hasen, der den drei fremden Männern schnell Respekt verschaffte. Es war vor allem die Art,wie sie mit ihren Tieren umgingen, und dass sie mit ihnen in enger Gemeinschaft lebten. Hierin waren die Merzer und die Falkner sich ähnlich wie Brüder.
    Babu hatte einige Anläufe gemacht, den Falknern näherzukommen, aber seine Bemühungen waren nicht von großem Erfolg gekrönt. Die Männer waren schweigsam. Sie verschmähten die gerösteten Kafurschnitzel, die er ihnen anbot   – sie aßen das, was ihre Szaslas fraßen, also meist rohes Wühlhasenfleisch   –, und zeigten sich auch nicht besonders interessiert an der Technik des Bogenschießens. Als Babu seine Geschicklichkeit und Treffsicherheit vorführen wollte, stieg ein Falke auf und fing Babus Pfeil aus der Luft, noch bevor dieser sein Ziel erreicht hatte. Wie einen Strohhalm zerbrach der gebogene Schnabel den Pfeil. Dann ließ der Vogel das nutzlose Geschoss ins Gras zu Babus Füßen fallen und landete wieder auf der Faust seines Trägers. Babu war erschrocken und beschämt. Diese eindrückliche Demonstration hatte ihm klargemacht, wie schwach sein Volk war. Wie schwach er selbst war. Er war ein Sohn des Friedens. Und er wäre hilflos in Zeiten des Krieges, schon ein Vogel konnte ihn besiegen. Die Falkner sahen, wie sehr sie Babus Stolz verletzt hatten. Einer ließ seine Szasla aufsteigen, griff in sein weites, langes Gewand und zog einen Dolch hervor, der Babu die Luft anhalten ließ. Die leicht gebogene Klinge glänzte schwarz wie eine sternenklare Nacht. Das war ganz zweifellos Welsenstahl. Auch wenn Babu nie zuvor echtes Welsenhandwerk gesehen hatte, wusste er doch von der Kunst der welsischen Waffenschmiede und hatte gehört, dass einst die Welsen über den Kontinent geherrscht hatten. Der Falkner legte Babu den Dolch in die Hand. Er wog viel schwerer als die

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