Öffentlichkeit außer als Verkäufer u. a. als Motivationstrainer, PR-Berater oder eben als Schauspieler zeigt. Exemplarisch für diese Haltung ist eine Äußerung von Verona Feldbusch. Sie soll in einem Interview einmal gesagt haben: »Man versucht dauernd, hinter meine Fassade zu gucken. Aber da ist nichts, ich verstelle mich nicht« (vgl. Schmidbauer, 1999, S. 50).
Noch einmal zurück zur Traumhochzeit. Genau dies wird in der Sendung gezeigt, Gefühlsarbeit in einer hochkonzentrierten Form: Die Gefühlsdarstellungen der Teilnehmer sind deren Leistungen, die sie im allgemeinen nicht für ein festes Salär, sondern lediglich um eine Gewinnchance und die Hoffnung auf zeitweilige Prominenz verkaufen. Daß es sich bei den Teilnehmern um weitgehend medienunerfahrene »echte« Liebespaare handelt, vermittelt den Käufern einerseits zwar die Gewißheit, eine dementsprechend »echte« Ware zu erhalten. Andererseits stellt dies aber für die Produzenten der Sendung ein gewisses Risiko dar. Aber auch emotional hartleibige Teilnehmer werden mit Hilfe entsprechender Inszenierungstechniken – die Braut kommt im weißen Kleid eine Schautreppe herunter, weiße Tauben flattern durch das Studio, Kinder streuen Blumen auf das Paar – in die Stimmung gebracht, so daß die gewünschten Gefühle schließlich doch gezeigt werden. Den beiden Gefühlsarbeitern bleibt aber immer bewußt, daß sie an einer TV-Sendung teilnehmen und daß sie insbesondere in den anrührenden Momenten in Großaufnahme gezeigt werden.
Die Moderatorin hat hinsichtlich der zu leistenden Gefühlsarbeit eine besonders schwierige Position. Ihr geht es nicht mehr darum, wie im Märchen die antiquierte Warmherzigkeit eines eben dadurch beruflich erfolglosen Menschen durch eine im Verborgenen durchgeführte Herztransplantation gegen eine modernere, kühlere Gefühlskultur auszutauschen und daraus allenfalls heimlich teuflische Freude zu gewinnen. Ganz im Gegenteil ist sie an deren Gefühlen, vor allem aber an ihrer öffentlichen Darstellung außerordentlich interessiert, weil sie eben dieses zum Verkauf bringen will. Ihr schwieriges Geschäft ist es also, einerseits die an den Sendungen teilnehmenden (naiven) Gefühlsarbeiter – Gewinner wie Verlierer – zu möglichst intensiven emotionalen Äußerungen zu verführen. Andererseits hat sie selbst Gefühlsarbeit für das Publikum der Sendung im Studio wie später an den Bildschirmen zu leisten. Beides verkauft sie an die Produktionsfirma Endemol, die es – gewissermaßen tiefgefroren – an RTL weiterverkauft. Linda de Mol gilt als eine besonders authentische und glaubwürdige Moderatorin, die sich einfühlen kann und sehr natürlich auftritt (Bente & Fromm, 1997, S. 375f.). Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um Oberflächen- oder um Tiefenhandeln handelt. Entscheidend ist, daß ihre Gefühlsarbeit für die Sendungsteilnehmer wie für das Publikum gleichermaßen überzeugend ist.
Und um die Analogie zum Holländermichel noch ein wenig zu vertiefen: Genau wie er im Schwarzwald erfolgreich war, ist sie es in ganz Deutschland. 1994 schloß sich ihre Produktionsfirma, die von ihrem Bruder gegründete John de Mol Produkties B. V, mit der Joop van den Ende Productions zur neuen Firma Endemol zusammen. Unter diesem gemeinsamen Dach wurden weitere erfolgreiche Sendungen wie etwa Die Mini-Playback-Show produziert, in der als bekannte Showstars aufgemachte Kinder unter der Anleitung der Moderatorin Mareike Amado Schlager ihrer jeweiligen Vorbilder vortragen. Fünf Jahre später gelang Endemol ein weiterer, diesmal wirklich ungewöhnlich großer Erfolg mit der neu entwickelten Sendung Big Brother (vgl. zum Folgenden Böhme-Dürr & Sudholt, 2001). Das Konzept bestand darin, einige Männer und Frauen für 100 Tage in einem Wohncontainer zusammenleben zu lassen und ausgewählte Bilder dieses Zusammenlebens zu senden. Das Publikum entschied alle zwei Wochen per Telefonabstimmung darüber, wer den Container zu verlassen hatte; der letzte Bewohner erhielt einen Geldpreis von DM 250.000,-. Am 16. September 1999 wurde die Sendung erstmals von dem niederländischen Sender RTL Veronica ausgestrahlt – nach kurzem mit großem Erfolg. Im November 1999 kaufte RTL II die Sendung, um sie am 1. März 2000 erstmals in Deutschland auszustrahlen. Auch hier wurde sie ein unglaublicher Erfolg, 35 Millionen DM betrug der finanzielle Gewinn der ersten Staffel. Inzwischen hat sich die Firma zu einer der führenden europäischen
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