0006 - In den Klauen der Mumie
sagen Sie mir wenigstens, wo es passiert ist, Miß Springs«, bat er.
»Beim Abgang zu den Gewölben.«
»Okay. Ich seh' mal nach.«
Er ging weiter. Millie stand steif da. Jedes kleine Geräusch, das an ihr Ohr drang, versetzte sie in Panik. Die Dunkelheit um sie herum machte sie verrückt. Sie sah Dinge, die es nicht zu sehen gab. Sie glaubte Olga zu sehen und die Mumie. Das hielt sie nicht aus. Entsetzt lief sie hinter dem Polizisten her.
Der Mann grinste zufrieden.
»Na, also. Nun sind Sie doch noch vernünftig geworden. Wo ist die Stelle nun?«
Millie führte ihn. Plötzlich schlug sie mit beiden Händen auf den verdattert aufgerissenen Mund und stieß gleichzeitig einen heiseren Schrei aus, während ihre von Bestürzung geweiteten Augen fassungslos auf die Stelle starrten, wo Olga Baxter gelegen hatte.
Die Stelle war leer.
Die Leiche war verschwunden.
***
»Fertig?« fragte Professor Zamorra.
»An Leib und Seele, Chef«, erwiderte Nicole Duval. Ihr Lächeln ging dem Professor unter die Haut. Er stand mit einer Whiskyflasche und mit zwei Gläsern vor der Tür, trug seinen schwarzen Smoking und war bereit zum Ausgehen. Da aber noch ein wenig Zeit geblieben war, wollte Zamorra noch einen Drink mit Nicole nehmen.
Sie trat zur Seite und ließ ihn in ihr Zimmer treten.
Nicole sah hinreißend aus. Abgesehen davon, daß sie wieder mal eine Frisur zustande gebracht hatte, die der Professor noch nie an ihr gesehen hatte, wobei sie auch die Haarfarbe um eine Nuance verändert hatte, war sie in sahneweißen Tüll gekleidet.
Das trägerlose Kleid saß knapp um ihren prachtvollen Oberkörper und stellte einen wunderbaren Kontrast zu ihrer sonnengebräunten Haut dar. Die schwellenden Kurven ihrer Brüste quollen förmlich aus dem Dekolleté und ließen Zamorra beinahe vergessen, daß er gekommen war, um mit seiner Sekretärin ein Gläschen zu leeren und hinterher ins Theater zu gehen.
In ihren ausdrucksstarken Augen tanzten grünliche Funken. Zamorra goß, ein wenig benommen und verwirrt von der Schönheit seiner Sekretärin, Whisky in die beiden Gläser.
Sie setzten sich. Nicole griff nach ihrem Glas. Sie hatte die Wimpern ein wenig getuscht, wodurch ihre Augen noch mehr zur Geltung kamen. Obwohl sie Zamorras Sekretärin war, war sie nicht bereit, an seine Gespenstergeschichten - wie sie es nannte - zu glauben.
Nicole war äußerst intelligent und sprühte vor Lebendigkeit und Charme. Ihr Lächeln vermochte jeden Eisberg zum Schmelzen zu bringen. Sie war hart, aber gerecht, wenn es galt, ungebetene Besucher von ihrem Chef fernzuhalten.
Ein wahrer Glücksfall war sie für Zamorra, und er war ehrlich froh, daß er sie hatte.
»Auf einen netten Abend«, sagte Zamorra und hob sein Glas.
»Ja. Auf einen vergnügten, netten Abend«, sagte Nicole. Als sie an ihrem Drink nippte, musterte sie den Professor über den Rand ihres Glases.
Er war ein großer schlanker Mann, dunkelhaarig und mit hellwachen Augen, denen kaum etwas entging. Sein Gesicht war schmal und markant. Er lächelte, als er ihren Blick auffing. Es war Nicole jedoch nicht unangenehm, daß er sie ertappt hatte. Sie setzte das Glas erst ab, als sie es ausgetrunken hatte.
Als auch Zamorras Glas leer war, kam Bill Fleming.
»Ihr turtelt doch hoffentlich nicht, ihr beiden!« sagte er rügend. »Das müßte ich nämlich der Hotelleitung melden. Hier achtet man streng auf Sitte und Anstand. Kann ich auch einen Whisky haben?«
Der Professor gab ihm zu trinken.
Bill kippte den Whisky mit einem schnellen Ruck hinunter, stellte das Glas ab und sagte: »So, Freunde. Und nun macht euch bitte auf einen ganz besonderen Theatergenuß gefaßt.«
Zamorra lächelte.
»Ach ja, du schwärmst doch so wahnsinnig für die Hauptdarstellerin in diesem Stück. Wie heißt sie doch gleich?«
»Barbara Blake. Eine begnadete Künstlerin«, sagte Bill verzückt.
»Wir werden uns unser eigenes Urteil bilden«, sagte Nicole lächelnd.
»Sie werden von Barbara begeistert sein, Nicole. Es ist ein Erlebnis, ihr beim Spielen zuzusehen. Dieses Mädchen ist in jeder Rolle hinreißend. Wir werden nach dem Theaterbesuch mit ihr zusammen essen gehen.«
Zamorra stupste den Freund grinsend in die Seite.
»Sag mal, du Schwerenöter, wie oft warst du denn mit dieser begnadeten Künstlerin schon essen.«
»Viermal. Warum?«
»Und wann wird geheiratet?«
»Laß diese geschmacklosen Scherze, ja?« brummte Bill Fleming. »Können wir gehen?«
»Wir können«, erwiderte
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