0016 - Das Mädchen von Atlantis
Doch ich riß mich zusammen.
Dachte daran, daß Dienst Dienst ist und Schnaps Schnaps.
»Bist du heute abend zu Hause?«
»Ja, du kannst anrufen, Jane.«
»Okay.« Die Detektivin nahm ihre Handtasche. Wir verließen die Wohnung und fuhren gemeinsam nach unten. Zwei ältere Frauen befanden sich ebenfalls im Lift. Sie redeten nur von der Toten. Es schien sich schnell herumgesprochen zu haben.
Auf der Straße verabschiedeten wir uns.
»Bis bald«, sagte Jane.
Ich sah ihr nach, wie sie in ihren Wagen stieg, und ahnte dabei nicht, daß Jane Collins in eine Falle lief…
***
Frankfurt!
Die Hochzeit war ein rauschendes Fest. Das Ballerlebnis des Jahres. Es war wie ein Traum, wie im Märchen. Schließlich kommt es nicht jeden Tag vor, daß ein echter Graf ein Mannequin ehelicht.
Roland von Rodeneck war blaublütig.
Und seine Frau Karin hatte als Mannequin gearbeitet. Sie feierten mit ihren Gästen in einem Frankfurter Nobelhotel. Je näher Mitternacht heranrückte, um so mehr stieg die Stimmung. Der Champagner floß in Strömen. Immer wieder ließen die Freunde des Paares die Hochzeiter hochleben. Walzermelodien schwangen durch den Raum. Karin lag leicht wie eine Feder in den Armen ihres Mannes. Sie strahlte. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich das Glück wider, das sie empfand.
Und auch Roland von Rodeneck war zufrieden. Hatte er es doch gegen die Widerstände seiner Familie geschafft, Karin Schneider zu heiraten. Jetzt hieß sie Karin von Rodeneck. Wie sich das anhörte!
Karin selbst konnte es noch gar nicht begreifen. Jeder wollte mit ihr tanzen. Vor allen Dingen Rolands Freunde aus dem Golfclub. Sie rissen sich um einen Tanz. Der junge Bräutigam stimmte lachend zu. Mit dem Champagnerkelch in der Hand beobachtete er seine Frau. Sie trug ein phantastisches Hochzeitskleid aus weißer Spitze. Der weit geschnittene Rock schwang bis hoch zu den Waden, wenn sie sich im Walzer drehte. Das naturrote Haar hatte sie zu einer Lockenfrisur aufgedreht. Der Schleier wurde durch ein kostbares Diadem gehalten.
Sie war eine schöne Braut. Es gab niemanden, der anderer Meinung war. Und Roland war stolz. Noch eine Viertelstunde bis Mitternacht. Dann wurde der Schleier zerrissen, dann war der große Tag vorbei. Sie würden mit dem Lift in ihr gemeinsames Zimmer fahren, die Nacht dort verbringen und am nächsten Morgen nach Venedig reisen, um dort die Flitterwochen zu verleben. So sah das Programm aus. Edler von Rodeneck, Rolands Vater, trat an die Seite seines Sohnes. Auch er hielt ein Champagnerglas in der Hand. Der maßgeschneiderte Smoking saß wie angegossen. Am Ringfinger der linken Hand blitzte ein hochkarätiger Diamant. Vater und Sohn sahen sich sehr ähnlich. Beide hatten sie die hohe Stirn, das wellige Haar – bei dem Jüngeren blond, bei dem Älteren weiß –, und beide hatten sie auch das eckige, etwas vorspringende Kinn. Die Rodenecks waren Weinhändler. Sie besaßen einige Dutzend Weinberge, und ihre Getränke waren berühmt wegen ihrer Fruchtigkeit und ihres Preises. Ja, keine Flasche mit Originalabfüllung kostete unter zehn DM. Dafür konnte der Käufer jedoch sicher sein, nichts Gepanschtes zu trinken.
»Wie geht es dir, Roland?« Der alte Graf legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter.
»Wie dir bei deiner Hochzeit.« Edler von Rodeneck lachte. »Dann müßtest du aber in Stimmung sein.«
»Bin ich auch.«
»Ich freue mich für dich mit, mein Junge. Ich hoffe, du wirst mit Karin glücklich.«
»Darauf kannst du dich verlassen, Dad.« Roland nannte seinen Vater immer Dad. Eine Angewohnheit aus der Studentenzeit. Er hatte mal zwei Semester in Oxford studiert.
»Außerdem versteht Karin etwas vom Weingeschäft. Ich habe ihr viel beigebracht. Ihr macht es Freude. Du wirst sehen, sie geht in den Weinberg und packt mit an.« Er lächelte etwas verächtlich. »Nicht so wie diese Adelsfräulein, die nur schön aussehen können.«
»Verzeih ihnen«, sagte Edler von Rodeneck. »Sie interessieren mich gar nicht.«
Karin hatte ihren Tanz beendet. Mit hochrotem Kopf lief sie auf die beiden Männer zu und ließ sich in Rolands Arme fallen. »Mein Gott«, japste sie, »war das anstrengend.«
»Dagegen hilft Champagner«, schlug ihr der Schwiegervater vor. Er winkte einen Ober herbei. Der Mann kam sofort. Sein Tablett war gefüllt.
Edler von Rodeneck reichte Karin eins der Gläser. »Trink das, Mädchen. Es tut dir gut.«
Karin nickte. Dann leerte sie das Glas mit einem Zug. »Ich bin ja so glücklich«,
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