003 - Der Puppenmacher
Dämonen. Aber inzwischen habe ich wieder etwas Distanz gewonnen und sehe die Sache nüchterner.«
»Sie haben Phillip Hayward gesehen?« fragte Dorian. »Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?«
»Ich … Es schien mir fast so, als sitze irgend etwas an ihm fest und sauge ihm langsam aber unerbittlich das Leben aus«, sagte Chapman bedächtig. »Er sprach konfuses Zeug, das keinen Sinn ergab.
Ich schätze, daß er geistesgestört ist. Phillip Hayward bietet einen schrecklichen Anblick. Er ist ein Sterbender. Mein Wort, Dorian, der Junge hat nicht mehr lange zu leben. Allerdings glaube ich nicht, daß Dämonen dafür verantwortlich sind, sondern ich vermute ein Verbrechen.«
Dorian nickte gedankenverloren. Wenn tatsächlich ein konventionelles Verbrechen vorlag, dann interessierte es ihn nicht. Deshalb ging er von der Voraussetzung aus, daß Dämonen mit im Spiel waren. Er spürte, wie ihn eine seltsame Erregung erfaßte. Sein Plan, einflußreiche Persönlichkeiten und Politiker von der Existenz der Dämonen zu überzeugen, nahm langsam Formen an. Der Secret Service war nur ein erster Schritt dahin. Wenn Phillip Hayward tatsächlich von Dämonen gequält wurde, dann würde er sich die Chance nicht entgehen lassen, die Regierungsstellen davon zu unterrichten.
Er würde den Verantwortlichen die Augen öffnen und ihnen beweisen, daß zwischen Himmel und Erde Dinge passierten, von denen sie nichts ahnten, und Donald Chapman sollte sein Verbindungsmann sein. Dorian lächelte grimmig. Er freute sich fast diebisch auf den Moment, in dem der Secret-Service-Agent erkennen mußte, daß er, Dorian, die Wahrheit gesprochen hatte.
Der Dämonenkiller war so in Gedanken versunken, daß er gar nicht merkte, wie lange sie schon unterwegs waren. Als Chapman den Wagen plötzlich abbremste und an den Bordstein fuhr, schreckte er hoch.
»Wir sind da«, sagte Chapman. Er deutete auf das nur wenige Meter entfernte Tor eines Grundstücks. »Leider hat mir Lord Hayward untersagt, in seinen Park zu fahren – auch so eine Schrulle von ihm –, so daß wir das letzte Stück zu Fuß zurücklegen müssen.« Chapman zog den Zündschlüssel ab und ermahnte Dorian noch einmal:
»Sprechen Sie zu niemandem über den wahren Grund unseres Hierseins! Wir sind Angestellte von Lloyds.«
»Und wenn wir uns ausweisen müssen?« fragte Dorian.
Chapman winkte ab. »Das würde nur Lord Hayward verlangen – oder seine Frau. Aber von ihr ist nichts zu befürchten. Die beiden Male, die ich hier war, habe ich sie nicht zu Gesicht bekommen.
Hayward sagte, daß sie durch eine Krankheit vorübergehend ans Bett gebunden sei.«
Sie schickten sich gerade an, aus dem Wagen zu steigen, als die Pforte neben der Toreinfahrt geöffnet wurde. Eine Frau in Schwarz trat heraus und wandte sich nach links. Sie trug einen langen, schwarzen Mantel und einen Hut mit einem Schleier, der ihr ganzes Gesicht verbarg. Als sie in den Lichtschein der Straßenlaterne trat, sprang Chapman wie von der Tarantel gestochen aus dem Wagen und rief: »Lady Hayward, Lady Hayward, darf ich …«
Die Frau reagierte nicht auf den Zuruf. Sie überquerte die Straße mit schnellen, trippelnden Schritten und verschwand in der nächsten Querstraße. Chapman war unschlüssig stehengeblieben.
»Sagten Sie nicht eben, Lady Hayward sei bettlägerig?« fragte Dorian, der ebenfalls ausgestiegen war.
»Ich hätte schwören können, daß sie es war«, murmelte der Agent irritiert und hob die Schultern. »Wahrscheinlich habe ich mich geirrt. Kommen Sie, Dorian, Lord Hayward wird uns bereits erwarten.«
Der Mann öffnete die Vorderfront, und im Puppenhaus gingen die Lichter an. Die Puppen waren in ihren kurzen Flitterröckchen und mit den enganliegenden Oberteilen zur Leblosigkeit erstarrt. Nur eine einzige Puppe bewegte sich. Sie war nackt und verbarg ihre Blöße mit den zierlichen Händen. Aber obwohl in ihr mehr Leben war als in den anderen sechs, wirkte auch ihr Gesicht leer und ausdruckslos; die Augen blitzten nicht wie Diamanten, sondern waren stumpf.
»Seht nur, wie sie sich schämt, meine widerspenstige Puppe!« sagte der Mann amüsiert und spöttisch. »Oder ist ihr etwa kalt?«
Die nackte Puppe erschauerte.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte der Mann und ließ ein Flitterkleidchen am Schulterträger von seinem Zeigefinger baumeln.
»Willst du es nicht anziehen?«
Die nackte Puppe rührte sich nicht. Der Mann führte den Zeigefinger, an dem das winzige Kleid hing, näher an sie
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