Traumhaft verliebt - Roman
Prolog
A n jedem Heiligabend, seit sie acht Jahre alt war, hatte Sarah Collier Schicksalsplätzchen gebacken, eine Handvoll davon unter ihr Kopfkissen gelegt, bevor sie schlafen ging, und von ihrer einzig wahren Liebe geträumt.
Sie hatte es gar nicht erwarten können, endlich einzuschlafen, während die funkelnden Lichter auf den Dachvorsprüngen durch die transparenten Spitzenvorhänge vor ihrem Schlafzimmerfenster fielen und der harzige Duft der frisch geschlagenen Douglas-Fichte das Haus erfüllte. Dazu dudelte Bing Crosbys »White Christmas« auf dem Plattenspieler ihrer Großmutter.
An diesem wundervollsten aller Abende, in ihrem gemütlichen kleinen Häuschen am See in Twilight, Texas, holte Gramma Mia Mehl, Zucker, Vanille und sahnige, fette, echte Butter hervor (die Sarahs Mutter sie niemals essen lassen würde) und verknetete die Zutaten auf den glänzend weißen Fliesen der Küchenanrichte. Obwohl sie beide das Rezept auswendig kannten, faltete Gramma das vergilbte Blatt Papier mit der verblassten, in blauer Tinte geschriebenen eigenwilligen Schnörkelschrift auseinander und lehnte es behutsam gegen die Teekanne. Begierig darauf, endlich anzufangen, verknotete Sarah mit aufgeregten Fingern ihre Schürzenbänder und band ihr welliges, karamellfarbenes Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammen.
Seit sieben Jahren hatte sie jetzt immer dasselbe geträumt: weiße Spitze, sanft fließend wie ein Hochzeitsschleier. Ein dunkelhaariger Mann in einem schwarzen Smoking, der wartend am Ende eines mit rosa Rosenblättern bestreuten Ganges stand, den Rücken ihr zugewandt, während Schneeflocken sanft aus einem stahlgrauen Feiertagshimmel rieselten.
Mit klopfendem Herzen schwebte sie näher. Das Blut rauschte ihr in den Ohren. In dem Augenblick drehte sich der Mann um, lächelte und streckte ihr die Hand entgegen.
Jetzt sah sie sein Gesicht.
Der Mann war Travis Walker, der gut aussehende ältere Junge, der im Haus neben Gramma wohnte, doch im Traum war er erwachsen.
Ihr Held.
Sarah schlief voller Glückseligkeit, die Hände unter der Wange, und ahnte nichts von dem Aufruhr, den ihr dieser alljährlich wiederkehrende Traum schon bald bescheren sollte.
Am Morgen des ersten Weihnachtstages, Sarah war jetzt fünfzehn Jahre alt, wachte sie mit der süßen Erinnerung an ihren Schicksalsplätzchentraum auf. Lächelnd fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Travis.
Ihr aufblühender junger Körper schmerzte vor Verlangen, und anstatt wie sonst aus dem Bett zu springen und nachzusehen, was für sie unter dem Weihnachtsbaum lag, kuschelte sich Sarah tiefer in die Kissen, schloss die Augen und ignorierte den Duft nach Schinkenspeck und Waffeln, der durch die Luft zog. Sie versuchte, die Bruchstücke ihres verblassenden Traums einzufangen, doch Grammas sanftes Klopfen an der Tür zerstörte ihre Bemühungen.
»Sarah, Liebes, steh auf und zieh dich an, deine Eltern haben gerade angerufen. Sie werden bald da sein.«
Sarah seufzte und setzte sich auf die Bettkante. Es kam ihr unfair vor, dass ihre Eltern kaum Zeit für sie hatten, aber wenn sie denn mal aufkreuzten, erwarteten sie von ihr, dass sie ihnen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Das Doktorenehepaar Mitchell und Helen Collier schickte Sarah jeden Sommer und auch während der Weihnachtsferien zur Großmutter. Den Rest des Jahres verbrachte sie an der Chatham Academy, einem Internat in Dallas. Die beiden waren äußerst beschäftigte, berühmte Herzchirurgen aus Houston und jetteten als Gastdozenten um die ganze Welt, da konnten sie sich nicht auch noch die Mühe machen, ihre eigene Tochter großzuziehen.
Hör auf, dich selbst zu bemitleiden. Du hast mehr als die meisten anderen Menschen.
Das stimmte, aber es hielt sie nicht davon ab, sich nach einer Familie zu sehnen, in der man sich nahestand. Sie schlang die Arme um ihr Kissen und drückte es an die Brust, wobei sie eine Spur von Plätzchenkrümeln auf dem Flanelllaken hinterließ.
Es war nicht gerade von Vorteil, dass sie schüchtern war und zu überbordenden Fantasien neigte. An der Schule war sie nicht sonderlich beliebt, konnte sich nur schlecht in eine Gruppe einfügen. Englisch war das einzige Fach, in dem sie brillierte. Ihre Eltern waren praktische, hervorragende Wissenschaftler, und sie verstanden ihre Tochter nicht im Geringsten. Manchmal stellte sie sich vor, sie wäre adoptiert worden, aber die Ähnlichkeit mit ihrem Vater – sie hatte sein unbändiges hellbraunes
Weitere Kostenlose Bücher