0034 - Das Teufelsauge
»Ibiza, Ibiza!« sagte Bill Fleming ein wenig verächtlich. »Glaubst du, ich fliege von Amerika nach Europa, um mir ausgerechnet diese überfüllte Touristeninsel anzusehen? Ich kann mir genau vorstellen, was ich auf dieser spanischen Insel antreffen werde. Abgetakelte alte Tanten aus der alten Heimat, von Illinois bis New York. Und au- ßerdem habe ich mir sagen lassen, daß jedes französische Dienstmädchen, das noch nicht einmal Bordeaux oder die Provence kennt, seine Ferien auf Ibiza verbringt.«
Der amerikanische Naturwissenschaftler und Freund Professor Zamorras war sichtlich aufgebracht über die Ferienpläne des Meisters über die Dämonen.
Auf dem Château de Montagne herrschte Reisefieber. Professor Zamorra war dabei, einige Koffer aus dem riesigen Mittelsaal hinauszutragen und in seinem schweren Citroën zu verstauen.
Nicole Duval, die verführerisch schöne Sekretärin des geheimnisumwobenen Professors, stand in der weiträumigen Diele und prüfte wieder einmal eine neue, todschicke Frisur.
Da trat Bill Fleming aus dem Speisesaal und beobachtete das Mädchen. Er konnte sich kaum enthalten, einen Pfiff der Bewunderung von sich zu geben.
Alle Wetter! dachte er bei sich. Wenn mein Freund Zamorra mich mit dieser knusprigen Puppe allein in Urlaub fahren ließe, dann würde mir selbst Ibiza nichts ausmachen. Aber so…
Nicole Duval drehte sich halb um, als sie Bill Flemings leise Schritte hörte.
»Nun, Monsieur?« fragte sie und strich sich eine ihrer hübschen blonden Locken aus dem Gesicht. »Was mißfällt Ihnen so an Ibiza? Sie können mir glauben, daß der Professor einen ausgezeichneten Geschmack hat. Ich kenne den Bungalow, den er gemietet hat. Er liegt ganz abseits vom Touristenrummel, mit einem herrlichen Blick aufs Meer.«
»Ihr Anblick ist mir lieber«, sagte Bill Fleming halb freundlich und halb mürrisch. »Ich bin Historiker, Nicole. Ich möchte, wenn ich schon wieder einmal in Europa bin, viel lieber ein paar alte geschichtliche Stätten ansehen, als meine Augen mit dem Anblick von Urlaubern, gelangweilten Gesichtern und Speckbäuchen zu beleidigen.«
Nicole lachte auf.
»Aber Bill«, sagte sie. »Ibiza wird Ihnen bestimmt gefallen.«
Der Amerikaner betrachtete das junge Mädchen mit Wohlgefallen.
Seine Blicke umschlossen mit zärtlicher Begierde Nicoles gutgebauten Körper. Sie wanderten von den schmalen Fesseln an den Beinen hoch, glitten über die Hüften und den prachtvollen, straffen Oberbau bis zu ihrem Gesicht.
Für Sekunden trafen diese Blicke mit denen des Mädchen zusammen.
Bill Fleming wollte gerade zu einem neuen Kompliment ansetzen, als etwas ganz Merkwürdiges geschah.
***
Der Amerikaner mußte seinen Blick von dem attraktiven jungen Mädchen reißen, als Professor Zamorra mit schnellen Schritten aus dem Schloßhof in den großen Mittelsaal gestürzt kam.
Dann wurden seine Schritte fast zu Sprüngen.
Nicole fragte sich verwundert, was den Professor zu solcher Eile antrieb.
Aber als dieser direkt auf den Kamin zuging, ahnte sie eine neue Überraschung.
Und sie sollte recht behalten.
Professor Zamorras Augen funkelten, als er auf den Kamin zuschoß. Dann war auch Bill Fleming neben der jungen Französin in den Saal getreten. Beide erlebten ein seltsames Schauspiel.
Die rechte Hand des Professors schoß dem Kaminsims entgegen.
Dann lag das geheimnisvolle Amulett in dieser Hand. Weder Nicole Duval noch Bill Fleming konnten spüren, welche Erregung in den folgenden Minuten den Professor durchfuhr.
Sie sahen nur dieses merkwürdige Benehmen an ihm, den gehetzten Ausdruck, diese großen, starren, fragenden Augen.
Viel mehr aber sah und spürte der Professor selbst.
Wie schon so oft, in seinem Kampf gegen die drohenden Dämonen in aller Welt, vermittelte ihm die Kraft seines Amuletts Bilder und Eindrücke eines neuen Entsetzens.
Und was die überirdische Zauberkraft des Amuletts seiner Väter ihm jetzt übertrug, überstieg jedes Vorstellungsvermögen.
Zuerst sah der Professor ein großes weißes Haus. Auf der Höhe über einem Fluß. Seltsame Bäume standen auf den Hängen zwischen dem Haus und den Fluten unten im Tal.
Dann öffneten sich, wie von Geisterhand bewegt, alle Portale und Fenster dieses Hauses.
Da ahnte Professor Zamorra, daß es sich um ein Krankenhaus handeln mußte.
Er schloß die Augen. Er sah mit dichtem weißem Leinen bezogene Betten. Und dann sah er den Mann.
Der Mann lag reglos in seinem Bett. Es war nicht auszumachen, ob er lebte
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