0035 - Wir brachen den Terror
deren meine gebundenen Hände noch fähig waren, auf den Steinboden schmetternd.
Die Flasche zerklirrte mit einem Geräusch, das mir so laut schien, als wären sämtliche Fenster des Hauses zerbrochen. Ich zerschnitt mir beide Handballen, aber ich spürte es kaum. Ich fühlte nur das kühle Nass des Weins über meine Finger laufen, und eine Sekunde lang spürte ich irrsinniges Bedauern, dass dort Flüssigkeit fortlief, die meinen Durst hätte stillen können, und ich war versucht, mich herumzuwerfen lind soviel von dem köstlichen Nass vom Boden aufzusaugen, als ich bekommen konnte.
Aber das dauerte nur eine Sekunde. Ich handelte vernünftig. Ich ertastete mir eine passende Scherbe, klemmte sie zwischen meine Handballen, und dann scheuerte ich ihre scharfe Kante an den Stricken entlang.
***
Ich wusste, dass ich Geduld haben musste, dass diese Prozedur eine halbe Stunde oder länger dauern konnte, und in der Tat glaube ich, dass sie mehr als eine Stunde dauerte. Ich verlor ein paar Mal die Scherbe und hatte Mühe genug, sie überhaupt wieder zwischen die Handballen zu bekommen.
Ich fürchte, im Laufe dieser Stunde verlor ich einige Male die Gradlinigkeit meiner Gedanken. Ich bekam zeitweise das Gefühl, als würde dieses Scheuern niemals aufhören, oder als würde McFish hereinkommen und alles zunichtemachen. Ich musste bei diesem Gedanken, der wie ein schwarzer Blitz durch mein Gehirn zuckte, ein wild aufwallendes Gefühl von Panik unterdrücken.
Dann fühlte ich, wie die Umschnürung meines Gelenkes sich lockerte. Ich zerrte, vergeblich, mahnte mich selbst zur Geduld und nahm noch einmal das mühselige Reiben und Scheuern auf. Meine Hände schmerzten von den Schnittwunden und vom Krampf, aber dann zerriss ein Strick, und im gleichen Augenblick war ich frei.
Die Erledigung der Fußfesselung war ein Kinderspiel von ein paar Minuten Dauer. Die Stricke fielen, und ich sprang auf die Füße.
Mir drohte, schwarz vor den Augen zu werden. Ich lehnte mich gegen die Wand, und dann dachte ich an das, was mir noch zu tun bevorstand. Eine heiße Welle jagte durch meinen Körper. Ich dachte an Charles Lang, und plötzlich fühlte ich wieder Kraft.
Die Tür war verschlossen und von innen nicht zu öffnen, aber das Kellerfenster hatte einen gewöhnlichen Hebelverschluss. Ich probierte den Griff. Er war gut geölt und ließ sich leicht bewegen. Ich zog, die beiden Flügel öffneten sich. Die kühle Abendluft strich mir über das Gesicht. Jetzt brauchte ich nicht mehr als einen Klimmzug und ein bisschen Schmalmachen beim Durchkriechen der niedrigen Fensteröffnung, und ich stand im Freien.
Vielleicht wäre es jetzt logischer gewesen, sich so schnell wie möglich auf den Weg zu der Straße zu machen, ein Auto zu erwischen, in die Stadt zu jagen und Alarm zu schlagen. Aber wenn man achtundvierzig Stunden ohne einen Schluck Wasser gewesen ist, handelt man nicht immer logisch.
In meinem Gehirn herrschte der Gedanke, dass ich unbedingt eine Waffe haben müsste, dass ich mir schon hier einen Wagen beschaffen könnte und dass in diesem Hause McFish war, mit dem ich noch abrechnen musste.
Und ich ging nicht zur Straße, ich ging zum Haus, ich stieg die Freitreppe hoch und drückte auf den Klingelknopf. Dann trat ich zur Seite und presste mich gegen die Füllung des rechten Flügels der Doppeltür.
Ich hörte Schritte von innen, hörte das Zurückschnappen des Schlosses. Die Tür wurde geöffnet. Ich sprang vor.
McFish hatte ganz arglos geöffnet. Sicherlich hatte er angenommen, einer der Gangster sei zurückgekommen.
Eine Sekunde lang starrten wir uns in die Augen. Der Ire sah mich an, als erblickte er ein Gespenst oder die Personifizierung seines Schicksals.
Dann fiel ich über ihn her.
Körperliche Kräfte hingen nicht mehr davon ab, wie gut man ernährt ist. Wenn es danach gegangen wäre, so wäre mir McFish um drei Tage voraus gewesen und um den Unterschied, den es macht, ob man in einem guten Bett oder gefesselt auf einem Steinboden schläft.
Aber der Ire war gelähmt vor Schreck und von der Gewissheit, dass sich nun erfüllen würde, was er vielleicht immer schon heimlich gefürchtet hatte. Ich jedoch war beflügelt vom Zorn und von der Sorge um Phil, und so gab es für Slim McFish keine Chancen.
Ich schlug ihn vor mir her wie einen Punchingball. Ich keuchte dabei, und es setzte mir mehr zu, als es sonst der Fall war, aber er wich vor mir zurück, als stünde ihm ein leibhaftiger Tornado gegenüber.
In der Mitte der
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