0039 - Turm der Verlorenen
Schlosses und suchten das Echo, das ihnen die Existenz eines lebenden Wesens verriet.
Mordius zuckte zusammen. Seine rechte Hand hatte er um den Hals des grässlichen Flugwesens gelegt und kraulte es im Nacken.
Das Wesen stieß ein hohes Fiepen aus, als Zeichen seines Wohlbehagens.
Mordius war zusammengezuckt, weil das Wesen plötzlich nach seiner Hand gehackt hatte. Irgendetwas musste es aus seiner Ruhe aufgeschreckt haben.
Mordius konzentrierte sich erneut und merkte, dass seine Gedanken auf ein nachgiebiges Hindernis trafen.
Hatte er etwa einen lebenden Menschen gefunden? Vielleicht war ihm sein Schicksal sogar gnädig, und er hatte den Professor, seinen Todfeind, endlich gefunden. Ein weiteres Nachstoßen durch dieses Hindernis bewies ihm, dass seine Hoffnung bestätigt wurde. Es war das Gehirn des Menschen, der den Dämonen und ihren Verbündeten den ewigen Kampf geschworen hatte.
Es war der Mann, der ihn schon zweimal verwiesen hatte.
Ein drittes Mal sollte es ihm nicht mehr gelingen…
***
Zamorra hetzte durch einen endlos scheinenden Gang. Die Wände drängten sich immer dichter an ihn heran und drohten ihn zu erdrücken. Ein nie gesehenes Inferno von Farben umwaberte seine Gestalt.
Er war halbnackt. Schweiß glänzte auf seiner Haut und rann in dünnen Rinnsalen über seinen Körper. Er wurde verfolgt und wusste nicht von wem. Übermächtig verspürte er die Drohung, die sich hinter ihm aufbaute und ihm nachhetzte.
Er wandte sich um. Ein grässliches Lachen war die Antwort. Es sah so aus, als würde man mit ihm spielen und sich an seiner Not und Ratlosigkeit ergötzen.
Bilder stiegen vor Zamorras geistigem Auge auf, die er schon einmal gesehen hatte und die ihm Erlebnisse aus seiner Vergangenheit vorgaukelten. Er sah sich in Zweikämpfen mit den Mächten des Bösen. Doch die Kämpfe endeten in seiner Vorstellung anders, als er sie in Wirklichkeit erlebt hatte.
Er war der Verlierer! Immer wieder gelang es den Wesen aus der anderen Welt, ihm eine Niederlage zu bereiten.
Sein Atem ging keuchend. Er wollte sich ausruhen, einige Sekunden nur. Doch die Verfolger ließen ihm keine Ruhe. Er wankte weiter, stieß gegen die roh behauenen Wände des Ganges und schürfte sich die Schultern auf. Wie er in diese Situation gekommen war, wusste er nicht mehr in sein Gedächtnis zurückzurufen. Er wusste nur, dass er fliehen musste. Jedes Zögern hätte seinen Tod bedeutet.
Wieder erklang dieses grässliche Gelächter hinter ihm. Und aus dem Gelächter löste sich eine Stimme, die sich direkt in seinen Gedanken befinden musste.
»Warum läufst du, Zamorra? Du kannst mir doch nicht entrinnen!«
Zamorra wollte etwas erwidern, sagen, dass er kämpfen wollte, dass sein Gegner sich ihm stellen sollte, aber sein Denken blieb stumm, und über die Lippen brachte er keinen Laut.
Die Farben umtanzten ihn, ließen die Umgebung in immer unwirklicheren Schatten versinken und verwehen. Zamorra glaubte, in dieses Farbenmeer hineinzustürzen und für immer darin zu verschwinden.
Wieder blieb er stehen und wandte sich um.
Eine tiefrote Feuerwand raste auf ihn zu. Instinktiv hob Zamorra den Arm, um sein Gesicht zu schützen.
Die wabernde Lohe glitt unter infernalischem Getöse auf ihn zu und hüllte ihn ganz ein. Zu seiner Verwunderung verspürte der Professor keinen Schmerz. Erleichtert nahm er den Arm herunter.
Was er sah, ließ seinen Atem stocken. Vor ihm stand ein Riese von einem Mann. Tote Augen starrten ihn aus einem grauenhaft entstellten Gesicht an. Die schmalen Lippen verzerrten sich zu einem bösartigen Grinsen. In den Augen des urweltlichen Wesens loderte der blanke Hass.
Fetzen hingen von der athletischen Gestalt seines Gegenübers. Sie flatterten leicht in einem Wind, von dem Zamorra aber nichts merkte.
Wieder lachte es in seinem Kopf auf. Diesmal stärker, lauter und quälender als zuvor. Und Zamorra wusste, dass der Riese, der ihm gegenüberstand, vollkommene Macht über ihn hatte.
Ergeben senkte der Professor den Kopf und erwartete das Ende.
»Na, hast du nun deinen Meister gefunden?«, fragte die Stimme in seinem gemarterten Schädel. »Siehst du nun ein, dass man sich nicht gegen die Dämonen stellen soll? Sieh mich an!«
Zamorra hob den Kopf und schaute dem anderen ins Gesicht. Da begriff er, wer da vor ihm stand.
Es war Mordius, der wahnsinnige Wissenschaftler, der das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt hatte und nun seinen Tribut forderte für das, was ihm der Professor angetan
Weitere Kostenlose Bücher