0225 - Mord-Insekten
Im Augenblick war alles still. Kein verdächtiges Geräusch konnte sie wahrnehmen. Das Fenster an der linken Seite des Bettes warf einen Schatten. Ein Flügel stand weit offen. Die Vorhänge blähten sich, als von außen der Wind gegen sie fuhr. Im Raum lastete noch immer die Hitze des vergangenen Tages, aus diesem Grunde schlief die 23jährige Linda auch fast nackt. Nur ein knapp sitzender Slip bedeckte das Allernötigste.
Die Geräusche der Nacht waren normal. Das Schlafzimmerfenster in dem Dreifamilienhaus führte zum Garten hin. Die Mieter über den Whitesides befanden sich im Urlaub, und die 73jährige Hauswirtin hörte sowieso nichts. Sie kümmerte sich auch nicht um ihr Haus. Anfallende Arbeiten übernahm immer Sammy.
Ruhig wurde es nie in dieser Gegend. Nicht allzu weit entfernt führte eine stark befahrene Straße vorbei. Sie stellte die Verbindung zwischen Greenwich und London dar. Ruhig war es nie, obwohl die Umgebung sehr ländlich wirkte.
Linda hatte auch keine Schritte gehört, es war ein anderes Geräusch gewesen, und sie ließ sich nicht davon abbringen.
Leider wußte sie nicht, ob es im Haus oder draußen aufgeklungen war, deshalb entschloß sie sich, nachzuschauen.
Geschmeidig schwang sie ihre schlanken Beine aus dem Bett und strich durch das braune, locker fallende Haar. Ihre Füße fanden die weichen Hausschuhe mit traumwandlerischer Sicherheit, und auf leisen Sohlen schlich sie an der Bettkante entlang.
»Wo willst du hin?« Sammy fragte, denn er hatte noch nicht einschlafen können.
»Ich muß nachsehen. Vielleicht hat sich Billy im Schlaf unruhig bewegt oder sich verschluckt, was weiß ich?«
»Dann hätten wir was gehört.«
»Du bist ein Rabenvater.«
Sam Whiteside lachte nur. »Ich mache mich auf jeden Fall nicht so verrückt wie du.«
»Schließlich ist Billy erst ein Jahr alt, das darfst du nicht vergessen.«
»Schon gut«, schwächte Sam ab, »tu, was du nicht lassen kannst und schau nach.«
Linda erwiderte nichts. Sie machte sich um Billy Sorgen. Vor einer Woche noch war er sehr erkältet gewesen, wahrscheinlich hatte er unter den Nachwirkungen zu leiden. Am Fenster blieb sie für einen Moment stehen. Die Vorhänge verbargen den Blick nach draußen, aber sie wollte sicherheitshalber auch in den Garten schauen, deshalb faßte sie nach der Kordel und zog den Stoff mit einem Ruck zurück.
Sie schaute in eine jener seltsamen Nächte, in denen es nie richtig dunkel wird. Typisch für Anfang Juli, wenn auch viel zu selten. Ein lauer Wind fuhr durch die dichten Gartenbüsche, und vom Himmel fiel silbriges Mondlicht, das auf das Grün der Pflanzen einen seltsam schimmernden Glanz hinterließ.
An einigen Stellen schienen die Schatten ineinander zu wachsen und zu Gestalten zu werden. Linda hatte das Gefühl, als würden sie sich bewegen, doch sie konnte sich auch getäuscht haben, denn in der Fantasie sah man oft bei diesen Wechselbeispielen von Schatten und seltsam bleicher Helligkeit Gestalten, die es nicht gab.
Linda Whiteside spürte den Schauer, der über ihren nackten Rücken lief, wollte vom Fenster wegdrehen und zuckte plötzlich zusammen, weil etwas dicht vor ihrem Gesicht dahergehuscht war. Es hatte sich schon verflüchtigt, als sie das Brummen hörte.
Eine Biene oder Wespe hätte sie fast noch erwischt und zugestochen. Aber bei Dunkelheit und in der Nacht? Soviel ihr bekannt war, schliefen die Tiere da.
Wieder hörte sie das Summen. Es kam von links, in diese Richtung war das Insekt geflohen, und dann war es blitzschnell da, tanzte vor Lindas Gesicht, so daß sich die junge Frau gezwungen sah, nach der Biene oder Wespe zu schlagen.
Mit der flachen Hand traf sie das Tier, das auf die äußere Fensterbank fiel, sich auf den Rücken drehte, mit den kleinen Beinen krabbelte und heftig brummte.
Linda verzog das Gesicht. Mit Daumen und Mittelfinger schnippte sie das Tier von der Bank.
»Was war los?« brummte Sam.
»Ach nichts. Eine Biene.«
»Und?«
»Ich habe sie ins Bienenreich befördert.«
»Ist schlecht. Bienen sind nützliche Tiere.«
»Aber nicht in meinem Schlafzimmer.« Linda drehte sich wieder um und ging zur Tür. Daneben befand sich ein Spiegel.
Sekundenlang konnte sie sich darin bewundern, und sie war stolz auf ihre schönen Brüste. Auch sah man ihr nicht an, daß sie Mutter war.
Vielleicht war sie an einigen Stellen ein wenig zu schlank, aber das glich Sam mit seinem Bierbauch wieder aus. Leise öffnete Linda die Tür und schlich auf nackten Füßen
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