0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1
Blödsinn.«
»Dabei sollen dann normale Menschen aufwachsen können!« sagte Phil kopfschüttelnd.
»Andererseits muß dieser Riccers aber fürchterlich unter seiner Einsamkeit gelitten haben«, fuhr Manskin fort. »Er versuchte ein paarmal, sich ziemlich ungeschickt an die Tochter des Professors heranzumachen. Diese Lizzy hat offenbar das Feuer geschürt, ihn aber immer in gewisser Distanz gehalten. Und eines Tages ist dann das Unglück passiert.«
Wir schossen fast von unseren Stühlen auf.
»Welches Ungkück?«
»Riccers war wieder einmal beim Sezieren einer Leiche. Eigentlich durfte er das ja gar nicht, aber die überlasteten Arzte waren immer froh, wenn Riccers ihnen das abnahm. Lizzy kam in den Seziersaal mit ihren Freundinnen. Riccers hatte sich gerade mit dem Kopf der Leiche beschäftigt.«
Manskin zündete sich eine Zigarette an. Die dadurch entstandene Pause schraubte unsere Spannung noch höher, als sie ohnehin schon war.
»Die anderen Mädchen gingen aus irgendeinem Grund wieder hinaus. Lizzy blieb als einzige zurück. Was sich weiter abgespielt hat, wußte keines der Mädchen genau, weil Lizzy es nie erzählt hat. Es steht nur fest, daß Riccers mit rotgeschlagener Wange an einer Wand lehnte, als die anderen Mädchen wieder hereinkamen. Lizzy hingegen hätte schallend gelacht und Riccers mit einer Flut herabsetzender Worte bedacht. Vielleicht hatte Riccers sich dem Mädchen irgendwie genähert, in einem Anfall von Entschlossenheit, der ihm über seine Komplexe hinweghalf. Jedenfalls hätte Lizzy bei dieser Schreierei ein paarmal gerufen, Riccers sei kein Mann, sondern ein Waschlappen, der noch nicht einmal eine Leiche sezieren könnte, ohne rot zu werden. Das muß wohl, aus Gott weiß was für Gründen, tiefer in dem Mann hängengeblieben sein, als man es erwarten konnte. Von dem Tag an hätte er die Mädchen immer mit glühendem Haß angesehen, wenn sie ihn wieder bei der Arbeit beobachteten. Lizzy allerdings hätte ihr grausames Spiel weiter getrieben und ihn jedesmal von neuem ziemlich arg gehänselt. Riccers allerdings habe alles schweigend geschluckt.«
Mr. High sagte langsam; »Er hätte die Mädchen hinauswerfen sollen, anstatt schweigend alles in sich hineinzufressen. Nun gut, wir wissen jetzt halbwegs über das Motiv Bescheid. Den Rest kann das Gericht mit Hilfe von Psychologen und Sachverständigen erforschen. Unsere Aufgabe ist es nur noch, diesen Mann zu fangen. Wollte Gott, wir hätten ihn endlich. Die Zeitungen werden schon wieder mobil. Und länger als noch zwei Tage kann ich die Großfahndung in New York mit der Abriegelung aller Ausfallstraßen auch nicht aufrechterhalten…«
Er hatte es gerade gesagt, da schlug eines der vier Telefone an, die auf dem großen Tisch an der Wand standen.
Ich saß zufällig am nächsten und nahm deshalb den Hörer.
»FBI. Sonderabteilung. Cotton.«
»Hafenpolizei. Hallo, Officer! Hier spricht Sergeant Tim Cause. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sich der von Ihnen gesuchte Mann gerade an Bord eines hier im Hafen liegenden Dampfers geschlichen.«
»Welcher Kai?«
»Jackson Kai, im Passagier hafen. Pier elf.«
Ich legte den Hörer auf. Ich sagte nur: »Jackson Kai. Passagierhafen. Pier elf.«
Mr. High atmete auf. Phil griff nach den Maschinenpistolen, warf mir eine zu, und wir rannten zur Tür.
***
Den Alarm würde Mr. High schon besorgen. Darüber brauchten wir uns keine Sorgen zu machen.
Wir kletterten im Hof unseres Distriktgebäudes in den Jaguar. Gleich darauf rasten wir auch schon mit heulender Sirene durch die Ausfahrt.
Wir ließen die Sirene so lange heulen, wie wir noch weit genug vom Hafen entfernt waren. Dann schaltete Phil die Polizeisirene aus. Der Mann brauchte uns nicht kommen zu hören. Vielleicht fand er sonst noch eine Möglichkeit, sich wieder zu verdrücken.
Am Eingang zum Passagierhafen erwarteten uns zwei Beamte der Hafenpolizei und wiesen uns den Weg.
»Tim steht genau vor dem Kahn und paßt auf, daß der Kerl nicht wieder ’runterkommt«, riefen sie uns nach, während wir schon in der angezeigten Richtung weiterjagten.
Es war ein Hafengelände, wie Sie es in jedem großen Hafen finden können. Die Bahngleise, die Anfahrtrampen, die Ladedocks und riesigen Portalkräne, die Speicher und Silos — das typische Hafenbild.
Je mehr wir uns allerdings dem Pier elf näherten, desto verlassener wurde die Gegend. Schließlich kamen wir an einen aufgestellten Gittermaschenzaun, der zwar eine offenstehende Durchfahrt
Weitere Kostenlose Bücher