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0048 - Ausflug ins Jenseits

0048 - Ausflug ins Jenseits

Titel: 0048 - Ausflug ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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Kristallkugel strahlte hell auf, eine silbrige Aura umflammte sie. Madame Melisandra schaute angespannt in die Kugel. Winzige Schweißtropfen glitzerten auf ihrem Gesicht.
    »Stellt eure Fragen«, sagte sie mit fremder Stimme.
    »Die Black Lady«, sagte Professor Melibocus.
    »Ich sehe sie«, murmelte die Hellseherin abgehackt. »Grässlich, oh, wie grässlich. Sie lebt als dämonisches Wesen, sie ist aus ihrem Käfig auf dem Grund des Loch Argyll befreit. Ein Spross ihrer Familie hat das schwarze Wasser des Bösen getrunken. Die Duchess of Argyll spukt umher.«
    »Asmodara, die Dämonenfürstin«, sprach ich. »Eine von den alten Götzen.«
    Madame Melisandra schrie auf. Sie hätte die Sitzung gern abgebrochen, aber sie war in Trance. Es musste weitergehen.
    »Entsetzlich. Was für ein Monster. Es will die Barrieren durchbrechen, die es hindern, aus dem Jenseits über die dunklen, kalten Tiefen des verfluchten Sees vorzustoßen. Schrecken über Schrecken bringt die fürchterliche Asmodara. Sie lebte schon, als auf einer vulkanbrodelnden Urzeiterde noch unsagbare formlose Monstren die Haarsternwesen des Valusiaanischen Reiches bekämpften. Bevor Atlantis entstand, war sie, Asmodara, die Schreckliche.«
    Die Hellseherin atmete stoßweise.
    »Das große Opfer soll sie auf die Erde bringen. Der Dämon. Ein Reisebüro hier in London. Eine Fahrt nach Schottland. Viele junge Mädchen und Frauen. Zu Hilfe, nein, nein! Verhindert es, oder Gott sei euren Seelen gnädig! Asmodara! Ich spüre ihre Nähe in den anderen Dimensionen! Sie greift nach uns!«
    Madame Melisandras Gesicht nahm einen derartigen Ausdruck des Schreckens an, dass ich aufsprang.
    »Wir müssen die Sitzung beenden!« schrie ich.
    Ein eiskalter Windstoß pfiff aus dem Nichts ins Zimmer. Es wurde dunkler, dämonische Stimmen erklangen. Heulende, bösartige Laute, ein Knurren und Schnappen. Die silberne Sphäre um die Kristallkugel flackerte auf, dann wurde sie von Schwärze verzehrt.
    Alles spielte sich binnen Sekunden ab. Ich riss das silberne Kreuz vom Hals und rief einen Bannspruch. Professor Melibocus stand neben mir, den schwarzen Hut in der Linken. Sein Kopf stieß fast gegen die Decke. Er reckte die rechte Hand gegen die schwarze Kristallkugel und schrie mit lauter Fistelstimme magische Sprüche.
    »Das sind die Worte, die die Kräfte der Finsternis zurückschmettern sollen!« rief Fitz Fitzgerald hinter mir.
    Ich wollte mit dem silbernen Kreuz die Kristallkugel berühren, die böse, dämonische Energien ins Zimmer leitete. Doch etwas Unsichtbares bremste mich. Es war, als ob ich durch eine zähe Masse waten müsste.
    Unsichtbare Hände zerrten an meinen Kleidern. Schrille Stimmen schrieen mir ins Ohr. Üble Gerüche erfüllten das Zimmer.
    Professor Melibocus schrie abermals seine Schmetterformel, und dann flog er weg wie eine Marionette. Über die Rückenlehne des Plüschsofas, gegen die Wand, gegen die er dumpf krachte und vor der er liegen blieb.
    Madame Melisandras Kater hatte sich mit gesträubtem Schwanz in eine Ecke verkrochen. Die Hellseherin ächzte. Eine Schattenhand ragte aus der dunklen Sphäre und hielt sie am Hals gepackt. Sie würgte ihr das Leben ab und ließ Todeskälte in ihre Adern strömen.
    Fitzgerald wollte sich um den Professor bemühen. Ein dämonisches, kreischendes Gelächter erscholl. Endlich hatte ich den runden Tisch erreicht, steckte die Hand mit dem Kreuz vor, das silbern leuchtete, und berührte die schwarze Kugel.
    Es gab einen Knall, ich wurde wie von einer Explosion zurückgeschleudert und fand mich auf dem Sofa wieder. Der üble Dunst wich, das Kreischen verstummte. Es wurde wieder hell im Zimmer.
    Von der Kristallkugel existierten nur noch Glaskrümel, überall verstreut. Madame Melisandra aber lag bei dem umgestürzten Stuhl neben dem Tisch. Die Schattenhand gab es nicht mehr, doch für Madame Melisandra hatte ihr Todesgriff genügt.
    Ich sah die blauschwarzen Würgemale am Hals der Hellseherin, ihr verzerrtes Gesicht, und ich wusste, dass Madame Melisandra diese Sitzung mit dem Leben bezahlt hatte. Auf schreckliche Weise war mir klar geworden, dass Professor Melibocus Geschichte stimmte.
    ***
    »Psi krev! Hundsblut!« fluchte der Professor auf tschechisch. Und auf englisch sagte er: »Fitzgerald, sieh nach, ob ich mir weh getan habe.«
    »O weh, o weh, Professor«, jammerte Fitz Fitzgerald, der Mitarbeiter und das Faktotum des Professors, »Sie haben bei der magischen Formel gewiss wieder einen Fehler begangen.

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