0056 - Das Ungeheuer von Loch Morar
Seite. Allein wollte Sheila mich nicht einladen. »Dann redet ihr doch nur über eure Fälle«, sagte sie, wobei sie gar nicht unrecht hatte.
Also nahm ich Jane mit.
Chic sah sie wieder aus. Von ihrem letzten New-York-Trip hatte sie sich ein hellblaues Kleid mitgebracht, das bis zu den Knöcheln reichte. Wenn Jane sich drehte, schwang es wie eine Glocke. Die blonden Haare trug sie offen, und wenn ich genau hinschaute, erkannte ich den roten Schimmer, den Jane sich in ihre Haarflut hatte einfärben lassen.
»Ich gehe solange zu Sheila«, sagte sie, während Bill und ich am Kamin saßen.
Wir drehten Whiskygläser in den Händen. Ich konnte mir einen Schluck erlauben, denn Jane und ich waren mit einem Taxi gekommen.
Mein Freund und ich waren nicht allein.
Zwischen Bill und mir befand sich noch jemand.
Johnny Conolly, hoffnungsvoller Sprössling seiner Eltern und mein Patenkind.
Der Kleine war goldig und hatte sich prächtig herausgemacht.
Er konnte schon krabbeln, und nichts war vor ihm sicher. Keine herabhängende Tischdecke, keine für ihn erreichbare Schublade oder Blumenvase, und Sheila konnte alles gar nicht so rasch wegstellen, wie Johnny zupackte. Jetzt aber sah er mich.
Er hockte auf allen vieren vor mir und schaute mit seinen großen, blauen Augen zu mir hoch. Ein Lächeln flog über sein rundes Babygesicht, als ich ihn ebenfalls anlächelte und dabei eine komische Grimasse schnitt. Bill begann zu lachen.
»Du müsstest dich sehen«, gluckste er.
Ich warf ihm einen Blick zu. »Schau dich lieber an. Wenn ich so aussähe, wie du, würde ich ein Tuch vor dem Gesicht tragen.«
Das fröhliche Krähen des Kleinen unterbrach unsere Frotzelei. Und da hatte Johnny auch schon zugepackt. Seine kleinen Finger umkrallten den Zipfel einer herabhängenden Tischdecke.
Auf dem Tisch standen unsere Gläser und eine Whiskyflasche.
»Johnny!«, rief Bill.
Ich war schneller und schlug meine Hand auf die Decke, so dass sie nicht weiterrutschen konnte.
Das war im letzten Augenblick.
Bill beugte sich vor und hob den Kleinen hoch, der völlig unschuldig lächelte.
»Du kleiner Racker!«, rief der Reporter, warf seinen Sohn in die Luft und sagte dann: »Fang, John!«
Ich hielt die Arme auf. Johnny kannte dieses Spiel bereits und hatte ein diebisches Vergnügen dabei. Geschickt fing ich ihn auf, zuckte aber zusammen, als ich hinter meinem Rücken plötzlich Sheilas Stimme vernahm. »Dass ihr wieder Unsinn macht, habe ich mir doch gedacht. Wie oft soll ich dir das noch sagen, Bill. Und du kannst dich ruhig auch schuldig fühlen, John. Zwei erwachsene Männer.« Sheila schüttelte den Kopf. »Benehmen sich schlimmer als Kinder.«
»Aber der Kleine hat doch seinen Spaß dabei«, verteidigte ich uns.
»Was bleibt ihm denn anderes übrig?«
Sheila beugte sich vor und nahm mir ihren Sohn vom Schoß.
Prompt fing Johnny an zu weinen.
Bill und ich lachten synchron. »Da haben wir’s«, erwiderte ich. »Er will gar nicht zu dir.«
Sheilas Augen sprühten Blitze. Sie sah bezaubernd aus in ihrem Zorn. Bills Frau trug ein langes Kaminkleid aus bunt bedrucktem Stoff und dazu eine locker fallende Seidenbluse. Das lange, weizenblonde Haar hatte sie in der Mitte gescheitelt. In Wellen fiel es bis auf die Schultern.
Jane Collins tauchte in der Tür auf. »Brauchst du Unterstützung?«, erkundigte sie sich.
»Nein, danke. Mit den beiden Geiern werde ich schon allein fertig.« Das war deutlich.
Bill stand auf. »Hast du gehört, John? Geier, sagte sie zu uns. Zu den beiden heißblütigsten Männern, die es in ganz London gibt…«
Jane musste husten. Sheila verschwand rasch aus dem Zimmer. Den kleinen Johnny nahm sie mit.
Bill lachte. »Die ist mal wieder in Form«, meinte er und hob sein Glas.
Ich machte es ihm nach. Der Whisky war ausgezeichnet. Er hatte vierundzwanzig Jahre gelagert, bevor er in Flaschen umgefüllt worden war.
»Gleich gibt es Pflaumen- und Birnenschnaps. Das sind Rachenputzer, John.«
»Willst du mich unbedingt betrunken machen?«, fragte ich.
»Nie.«
»Haha…«
»Zudem muss ich auch nüchtern bleiben«, sagte Bill. »Ich fahre morgen nach Schottland.«
»Ach…« Ich griff nach den Zigaretten und zündete mir ein Stäbchen an. »Erzähl mal.«
»Man verlangt mal wieder einen Artikel von mir.«
»Worum geht’s?« Ich wunderte mich, dass Bill noch nicht sofort damit herausgerückt war. Sonst war er nicht so schweigsam.
»Um ein Monster – oder mehrere.«
Ich lachte. »Willst du das Monster
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