Verzeihung, sind Sie mein Koerper
Geleitwort von Matthias Varga von Kibéd
Liebe LeserInnen,
machen Sie sich auf etwas gefasst! Denn Achtung: Ihr Körper liest mit! SchlieÃlich haben wir ihn meistens dabei. Und wenn Ihr Körper nur annähernd so viel auf sich bezieht wie der meine, als ich dieses Buch las, wenn er auch Ihnen so viele Erinnerungen und Erfahrungen, Beunruhigungen und Hoffnungen, Schmerzhaftes und Anrührendes, vergessen Geglaubtes und gerade erst sich Abzeichnendes ins Bewusstsein kommen lässt wie mir, dann haben Sie eine intensive Zeit vor sich. Dieses Buch ist mit Herz und Verstand geschrieben und darum kann der ganze Mensch mitlesen.
Christa Renoldner hat hier aus der eigenen reichen Praxis und Erfahrung in der Arbeit mit körperlichen und psychosomatischen Problemen ihrer KlientInnen eine Sammlung ungewöhnlicher und bewegender Fallbeispiele zusammengestellt und die Grundlagen ihres Vorgehens verständlich und zugänglich gemacht. Darüber hinaus ist es ihr gelungen, Christl Lieben dazu zu bewegen, wesentliche Grundideen von Christls eigenen ungewöhnlichen Formen der therapeutischen Arbeit mit Körperthemen mit den LeserInnen zu teilen â einer Arbeit, die in groÃer Tiefe und Menschlichkeit wurzelt und von Christl Lieben oft mit einem gehörigen Schuss Wiener Humor serviert wird.
Eine der Wurzeln von Christl Liebens Arbeit ist die philosophische und therapeutische Sicht von der Doppelnatur des Menschen bei Karlfried Graf Dürckheim, der das Wesen als die Weise sieht, wie sich das »überraumzeitliche Sein« durch uns
in der Welt verwirklichen will. Christl Lieben würdigt den Körper nicht nur als das »Gefäà dieser Verwirklichung«, sondern lehrt aus der Erfahrung der Wegweisung durch den Körper, dem sie das Wissen um den »Segen einer Krankheit im Sinn eines Gesamtkonzeptes des Weges« zuschreibt, was uns intensive Reifungsprozesse ermöglichen kann.
Christa Renoldner schreibt aus dem Bewusstsein des Unterschieds vom Körper, den wir haben, zum Leib, der wir sind, und sie verdeutlicht ihre bescheidene und professionelle Haltung, wenn sie schreibt, dass »nicht wir heilen, sondern, falls Heilung stattfindet, (diese) ... in unseren Klienten und Klientinnen (geschieht) durch Kräfte, auf die wir nur aufmerksam machen können«; diese Klarheit hat etwas ungemein Befreiendes.
Liebe LeserInnen, Christl Lieben und Christa Renoldner werden Sie durch ein gefährliches Krisengebiet führen, das Christl in dem Bereich der Kommunikation zwischen Geist und Körper verortet und für das sie den entscheidenden Prozess darin sieht, »Emotionen einerseits als sekundäre Gefühle zu erkennen, sie aufzulösen oder zu verwandeln, andererseits der Kraft, Tiefe und Wahrhaftigkeit primärer Gefühle zu vertrauen«; und die beiden AutorInnen geben uns ein gutes kundiges Geleit durch dieses Krisengebiet. Dabei sieht Christl Lieben die Gefühle als »aus der Tiefe unseres Mensch-seins kommend«, während sie Emotionen als Abspaltungen von Grundgefühlen betrachtet, da, wo diese nicht zugelassen werden.
Ihr habt mich jedenfalls wieder auf diese schon begonnene Reise mitgenommen, liebe Christl und liebe Christa. Nicht nur intensiv und lebendig waren die Empfindungen, Erinnerungen und Impulse bei Eurem engagierten Buch; Ihr habt mich auch eingeladen und teilnehmen lassen an Eurer langen hingabevollen Praxis, Eurem auÃergewöhnlichen Einsatz für die Menschen, Eurer Sorgfalt und Eurem unermesslichen Inte
resse, Eurer Freude, wenn es Euch gelang, für die einen von Euren KlientInnen von Nutzen zu sein oder, wie Ihr es vielleicht noch vorsichtiger sagen würdet: wenn in Eurer Gegenwart etwas Nützliches geschah. Zugleich seid ihr Vorbilder in Eurer Bescheidung auf ein gutes Geleitgeben bei den anderen, ohne letztlich in Mutlosigkeit oder Hadern zu verfallen, und in Eurem achtungsvollen Nach-vorne-Tasten auf noch kaum oder gänzlich unbeschrittene Pfade der Verbindung von systemischer Aufstellungsarbeit mit psychosomatischen Themen.
Ich bin durch Euer Buch angeregt, Ideen aus Eurer Arbeit in die Strukturaufstellungsarbeit mit Körperthemen aufzunehmen, und ich habe durch Christls tiefgründige Ideen zu freiem (unserer ursprünglichen Natur entsprechenden) Bewusstsein und gebundenem (durch Krankheit in sich verstricktem) Bewusstsein Fragen für mich selbst grundsätzlich neu zu überdenken begonnen; ich habe dabei
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