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Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Naughton
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Erstes Kapitel
    Könnte er sterben, wäre dies der ideale Ort dafür.
    Zander stand am Rande der Klippe und blickte gebannt hinab auf die Felsenschlucht unter sich. Eine dünne Schneeschicht knirschte unter seinen Stiefeln, als er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte und überlegte … Was wäre, wenn?
    Die Temperatur lag deutlich unter null, so dass der Wind, der ihm ins Gesicht blies, alles betäubte, was er noch an Gefühl besaß. Als Argonaut, Nachfahre der größten Helden der griechischen Antike, war er stärker als bloße Sterbliche, stärker sogar als die Argoleaner und die unlängst entdeckten Halbblute, die er neuerdings beschützte. Seine Kraft war selbst der seiner Mitkrieger überlegen.
    Nein, Unterkühlung würde ihn gewiss nicht töten. Leider. Erfrierungen wären nichts als eine vorübergehende Plage. Verdammt! Weil er nun einmal er war, könnte nicht einmal eine Kugel in die Brust verhindern, dass sein belämmertes Herz weiterschlug. Dies hier hingegen – er blickte in den Abgrund gute sechshundert Meter unter ihm, der nach unten so dunkel wurde, dass der dumpfgrüne Fluss unter einem dünnen Nebelschleier verborgen war – könnte eine Möglichkeit sein. Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf wisperte, Tu es einfach!
    Er war nicht blöd. Er verbrachte mehr Zeit mit Menschen als irgendein anderer Wächter aus seiner Welt und wusste, dass solch ein Sprung bestenfalls einer gescheiterten Nike-Werbeaufnahme gleichkäme. Und dennoch … es war verlockend. Schließlich konnte er nicht ausschließen, dass er sich beim Sturz die eine Wunde zuzog, die ihn sofort tötete und seine Unsterblichkeit ein für alle Mal beendete.
    Sein Kampfgefährte Titus kam zu ihm, bevor er sich entschieden hatte, und sah ebenfalls hinab. »Eine echt beschissene Art, aus dem Leben zu scheiden. Aber du hast recht. Es würde dich nicht umbringen, und mir steht übrigens nicht der Sinn danach, dich da unten wieder zusammenzuklauben und gesundzupflegen.«
    Zander sah den jüngeren Argonauten verärgert an – den beträchtlich jüngeren, der, wer hätte das gedacht, sich hier runterstürzen und sterben könnte! Was für ein Glückspilz. »Hör auf, meine Gedanken zu lesen. Du weißt, dass mich das wahnsinnig macht.«
    Titus grinste, hob eine Hand und wischte sich über den Mund. Im matten Licht der Dämmerung leuchteten die Zeichnungen auf seinen Unterarmen und Händen, die Erkennungsmale der Argonauten, besonders deutlich auf der hellen Haut. Sein Grinsen war verhalten, denn so richtig lächelte Titus nie. »Du bist schon wahnsinnig, Alter. Und denkst du, mir gefällt es, dauernd zu wissen, was in deinem wirren Hirn vor sich geht? Dann verrate ich dir was. Es steht definitiv nicht ganz oben auf meiner Liste besonders spaßiger Dinge!« Er wedelte mit seinen großen Händen. »Du projizierst deinen Mist auf alles und jedes hier, und, glaub mir, ich bemühe mich nach Kräften, nicht hinzuhören.«
    Zanders Miene verfinsterte sich, als er einen Schritt vom Klippenrand zurücktrat. Er ärgerte sich, dass er nicht gesprungen war, ehe Titus den Mund aufmachte, und noch mehr, dass ihn dieser kleine freie Fall nicht so ausschalten würde, wie er es gern hätte. Seine ohnedies schlechte Laune wurde nur schlimmer, je länger sie unterwegs waren, ohne irgendwelche Dämonen zu treffen.
    Wenig hilfreich war, dass Titus und er diesen Gebirgsabschnitt seit einer vollen Woche nach Nachzüglern absuchten und nichts gefunden hatten. Zander wollte nicht zurück nach Argolea; ebenso wenig wollte er zur Kolonie gehen oder nach mehr Halbbluten suchen, die sich in den Wäldern versteckten. Er lechzte nach einem üblen, gefährlichen Kampf, war düsterer gestimmt als Hades selbst, und sollte er nicht bald kämpfen können, würde es unschön. Für alle.
    »Gehen wir«, sagte Titus, der zurücktrat und sich die kalten Hände rieb. »Hier ist keiner. Wäre da unten eine Siedlung, hätten wir sie schon entdeckt. Wir gehen nach Norden, Richtung Mount Hood, und sehen mal, was wir dort finden.«
    Zwar wollte er nicht, aber Zander nickte. Die nächstgelegene Halbblutkolonie lag verborgen im Willamette National Forest südlich von hier, und die Menschen in der Gegend hatten keine Ahnung von deren Existenz. Unter den Argonauten herrschte die einhellige Vermutung, dass es weitere Halbblute oder Misos gab. Misos nannten sich die Geschöpfe, deren Eltern zur Hälfte menschlich, zur Hälfte argoleanisch waren, und sie mussten sich verstecken, weil

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