Mord am Vesuv
I
Für mich war es ein ausgezeichnetes Jahr, was man für Rom nicht gerade behaupten konnte. Caesars Treiben hatte die Bürger in Aufruhr versetzt, und die ganze Stadt sprach von einem bevorstehenden Bürgerkrieg. Die Stimmung war derart angespannt, dass alles städtische Leben wie gelähmt war; die Geschäfte litten darunter, und auch die vielfältigen Angebote zur Zerstreuung und Unterhaltung wurden nur wenig genutzt. Zum Glück war ich nicht gezwungen, in Rom zu bleiben.
Ich amtierte in diesem Jahr als Praetor. Hätte man mich zum Praetor Ur-banus gewählt, hätte ich das ganze Jahr innerhalb der Stadtmauern verbringen müssen, aber zu meinem großen Glück war ich zum Praetor Peregrinus auserkoren worden, womit ich alle Gerichtsverfahren zu leiten hatte, in die Ausländer verwickelt waren, und mein Zuständigkeitsbereich erstreckte sich über ganz Italia. Also hatte ich alle in der Stadt anstehenden Verfahren schleunigst erledigt und meine Abreise vorbereitet.
Mein erstes Ziel war Kampanien. Angeführt von meinen Liktoren waren Julia und ich sowie etliche unserer Sklaven, Freunde und Freigelassenen unterwegs zu dem berühmtesten Badeort Italias.
Nach den endlosen und langweiligen Pflichten, die einem in den niederen Ämtern das Leben schwer machen, empfand ich das Praetorenamt eher wie einen Urlaub mit ein paar festgelegten Dienststunden. Während andere alles organisierten, Verteidigungsreden vortrugen oder Plädoyers hielten, konnte ich mich in meinen kurulischen Stuhl fläzen und wenn ich genug gehört hatte, das Urteil fällen, ohne dass irgendjemand das Recht hatte, es anzufechten. Außerdem gab es in unserem Kalender jede Menge Tage, an denen offizielle Handlungen verboten waren, sodass man als Praetor ausreichend Zeit hatte, sich den Freuden des gesellschaftlichen Lebens hinzugeben.
Und das taten wir ausgiebig. Als amtierender Praetor war man immer ein gefragter Gast, sodass wir nahezu jeden Abend auswärts aßen. Da meine Liktoren unter anderem dafür zuständig waren, den Weg für unsere Sänfte freizumachen, kamen wir auf den überfüllten Straßen Roms stets problemlos an unser Ziel. Das Amt eines Praetors genoss ein ungemein hohes Ansehen. Immerhin verfügte man als Praetor über das Imperium und war berechtigt, ein Heer zu führen, auch wenn es schon Generationen her war, dass ein amtierender Praetor an der Spitze einer Legion ins Feld gezogen war. Schließlich und endlich hatte Julia nun also den gesellschaftlichen Status erlangt, auf den sie ein Anrecht zu haben glaubte.
Am besten aber war, dass man mir nach meinem Amtsjahr eine Provinz zuweisen würde, und das war eine wirklich verlockende Aussicht. Immerhin konnte es selbst ein ehrlicher Mann als Propraetor zu ansehnlichem Reichtum bringen.
Kein Wunder also, dass wir uns von den Göttern in besonderem Maße begünstigt fühlten, als wir mit unserem stattlichen Tross über die Via Ap-pia zogen, dieser ältesten und schönsten aller römischen Straßen, die von majestätischen Zedern und Pinien gesäumt ist und durch die fruchtbarsten Anbaugebiete Italias führt. Julia teilte sich eine Sänfte mit zwei ihrer Freundinnen, Antonia und Circe. Antonia war eine Schwester des berühmten Marcus Antonius, eines der ergebensten Anhänger Caesars. Circe war eine Cousine von Julia, die eigentlich ebenfalls Julia hieß, aber in Anspielung auf die Zauberin aus Homers Odyssee von allen nur Circe genannt wurde, weil sie, so behauptete jedenfalls meine Julia, »Männer zu Vierfüßlern zu degradieren pflegte«.
Ich ritt auf einem prachtvollen Fuchs, der aus meinem eigenen Stall stammte. Julia hatte behauptet, dass es in meinem neuen Amt nicht anginge, auf gemietete Pferde zurückzugreifen.
Neben mir ritt Hermes, mein ehemaliger Sklave, den ich freigelassen hatte. Des weiteren begleitete uns der Stab meiner Schreiber und Assistenten, viele von ihnen Söhne von Freunden, die am Beginn ihrer Karriere standen, und natürlich das ganze sonstige Gefolge, das man brauchte, um als höherer Magistrat seine Würde zu unterstreichen. Den Abschluss unseres Zuges bildeten etliche mit Haushaltssklaven vollgestopfte Wagen, von denen die meisten zu Julias persönlicher Dienerschaft gehörten.
Wir reisten sehr gemächlich. Schließlich hatte ich keinerlei Eile und kostete die Vorzüge meines neuen Amtes in vollen Zügen aus. In jeder Stadt, durch die wir kamen, wurden wir wie ein Königspaar mit einem großen Festessen empfangen, und immer wenn wir an einem prächtigen
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