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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
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trete auf den Gang hinaus. Ich muss mir ein wenig die Beine vertreten. Oder war es eine Vorahnung? Sofort als ich die Schiebetür öffnete, spürte ich die Gefahr.
     

     
    Eine feindselige Gedankenwelle! Das bedeutet, dass mindestens einer meiner Verfolger mit mir in diesen Zug eingestiegen ist. Ich brauche nicht zu überlegen. Ich weiß es.
    Ein Polizist – oder mehrere. Man hat mich in Motargis gesehen, aber nicht gewagt, mich festzunehmen. Marlats Voraussagen und das Abenteuer des Motorradfahrers. Wahrscheinlich will man warten, bis an höchster Stelle eine Entscheidung getroffen wird.
    Der Befehl, mich ohne vorherige Warnung abzuknallen. Maßloser Zorn steigt in mir auf, aber es gelingt mir, ihn zu unterdrücken. Jetzt ist nicht der Augenblick, irgendwelche Dummheiten zu begehen. Ich war bisher schon unvorsichtig genug.
    Ich gehe in mein Abteil zurück, um zu überlegen. Ich bin wütend, aber mein Verstand ist ganz klar. Eigentlich stellen die Polizisten gar keine so große Gefahr für mich dar, besser gesagt, keine Gefahr, mit der ich nicht ohne weiteres fertig würde.
    Natürlich könnte ich sie finden, ohne dass sie etwas merken – nämlich indem ich meinen Körper verlasse. Ich könnte mich auch ohne Mühe ihrer entledigen, aber das würde mir auch nicht viel nützen, denn bestimmt ist bereits bekannt, dass ich mich in dem Zug nach Nevers befinde. An der nächsten Station würde man mich verhaften.
    Den Zug verlassen? Ja, aber nicht in einem Bahnhof. Den Zug verlassen, ohne dass jemand etwas merkt. Ich lächle zufrieden.
    Schließlich besitze ich ja die Fähigkeit, mich an einen anderen Ort zu versetzen. Zumindest, wenn ich mich außerhalb meines Körpers befinde. Im Normalzustand habe ich es noch nie versucht, aber ich habe das Gefühl, dass ich das jetzt auch kann.
    Ich konzentriere mich. Im nächsten Augenblick sitze ich in der anderen Ecke des Abteils. Ausgezeichnet. Noch ein Versuch. Wieder konzentriere ich mich, wobei ich diesmal an den Gang denke.
    Es klappt. Ich befinde mich auf dem Gang. Mein Herz klopft wie wild. Ob ich auch imstande bin, größere Entfernungen zu überwinden? Auf jeden Fall bin ich durch die geschlossene Tür gekommen, ohne etwas zu merken.
    Der Zug fährt langsamer, weil am Bahndamm gearbeitet wird. Ich blicke durch das Fenster. Eine Straße. Nur einige wenige Autos. Nicht weit davon entfernt ein Teich und dahinter ein Wäldchen. Am Ufer eine kleine Mulde mit einigen Büschen.
    Das Gefühl, mich dort zu materialisieren. Da der Zug rollt, muss ich jäh stehen bleiben. Ich habe so viel Schwung, dass ich das Gleichgewicht verliere und kopfüber ins Gras falle.
    Der Zug drüben fährt nun wieder schneller. Ich blicke seiner Rauchwolke nach und muss laut lachen.
    Der Zug entfernt sich und mit ihm die Polizisten. Die andere Seite des Teichs. Schon bin ich dort. Meine neue Fähigkeit berauscht mich, und ich mache einen Versuch nach dem anderen, wobei ich immer größere Entfernungen überwinde.
    Ich erhebe mich, peile eine bestimmte Stelle an – und schon befinde ich mich dort. Meine Fähigkeiten sind tatsächlich unbegrenzt. Wie Marlat es vorausgesagt hat.
    Die Polizei kann mir nichts mehr anhaben. Die Gesetze der Menschen haben keine Gültigkeit mehr für mich. Ich bin frei.
     

     
    Erschöpft bleibe ich auf einer Hügelkuppe stehen. Sieh an, ohne es zu merken, bin ich an meinen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Vor mir liegt die Schnellstraße, und mein Blick fällt auf ein Schild mit der Aufschrift »Puyla-Laude 1,2 km.«
    In wenigen Sekunden habe ich Dutzende von Kilometern zurückgelegt, aber jetzt rinnt mir der Schweiß über den ganzen Körper. Ich wische mir die Stirn ab. Müdigkeit macht sich bemerkbar.
    Ich muss mich ausruhen. Der Wald ist ganz nah. Ich marschiere los und habe ihn bald erreicht. Mit einem Seufzer der Erleichterung lege ich mich unter einem Baum ins Moos und schlafe sofort ein.
     

     
    Die Nacht ist hereingebrochen. Der Hunger wühlt in meinen Eingeweiden, als ich erwache. Ich brauche Blut, aber ich bin so schlapp, dass ich nicht aufstehen kann. Ich fühle mich wie zerschlagen, und meine Glieder schmerzen vom langen unbeweglichen Liegen.
    Mühsam erhebe ich mich und gehe zur Straße hinüber. Ein Wagen kommt mir entgegen. Ich setze meine ganze Willenskraft ein, um den Fahrer zum Bremsen zu veranlassen. Er gehorcht meinem Befehl natürlich sofort und bleibt am Straßenrand stehen.
    In dem Augenblick, da er die Wagentür öffnet, um auszusteigen, versetze

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