0074 - Söldner des Teufels
aufgefordert. Der Mann hatte also alle Folgen ganz allein zu tragen.
Die Gedanken jetzt völlig ausschaltend, nur noch von seinem Ärger geleitet, legte Marcel an. Dann drückte er kurz entschlossen ab.
Du hast es getan, Marcel, gratulierte sich der junge Mann selbst, du hast geschossen.
Und getroffen!
Schlagartig kam in Marcel wieder der klare Verstand zum Durchbruch.
Mit schreckgeweiteten Augen starrte er das Mädchen auf der Plattform an. Da war ein Loch in ihrem Gewand, deutlich sichtbar.
Dort, wo das Herz schlug.
Marcel lief es kalt den Rücken herunter. Jeden Augenblick würde sich das weiße Gewand rot färben, blutrot.
Jeden Augenblick würde die junge Frau taumeln und zu Boden stürzen.
Unwillkürlich schloß er die Augen. Wie aus weiter Ferne drang das Gemurmel der Menge an sein Ohr. Aber als er die Augen wieder öffnete, war alles wie zuvor. Das Mädchen stand noch immer da, fest auf beiden Beinen, so als wäre da gar keine Kugel gewesen, die ihm tief in die Brust gedrungen sein mußte. Und das Mädchen lächelte, ein entrücktes, beinahe seliges Lächeln.
Einige der Zuschauer waren sichtlich tief beeindruckt, andere hingegen nicht. Unmutsäußerungen wurden laut.
»Schwindel!«
»Betrug!«
»Die Kleine hat wohl ‘ne Bleiweste unter ihrem Fummel!«
Der glatzköpfige Priester war erbost.
»Genügt euch dieses Wunder immer noch nicht?« schrie er die Menge an. »Wohl denn, ich werde euch noch einen Beweis von der Macht des Großen Geistes liefern. Man reiche mir ein Messer!«
Verlangend streckte er den Schaulustigen eine Hand entgegen.
Und er brauchte nicht lange zu warten. Ein Mann – Marcel glaubte in ihm denjenigen zu erkennen, der ihn vorhin aufgefordert hatte, den Engel zum Teufel zu schicken – griff in seine Jackettasche und holte ein Messer hervor. Ein großes Klappmesser! Grinsend ließ der Mann die Klinge aus dem Schaft springen.
»Genügt dir das, großer Hexenmeister?« fragte er den Glatzköpfigen.
Der zögerte keine Sekunde, riß dem anderen das Messer förmlich aus der Hand. Dann drehte er sich um und kam mit schnellen Schritten wieder auf Marcel zu.
»Hier, junger Mann, nehmen Sie das! Stoßen Sie der Tochter des Lichts die Klinge ins Herz!«
Marcel fuhr zurück, als habe ihn eine giftige Schlange gebissen.
»Nein, nein!« wehrte er ab. »Ich nicht, ich ganz bestimmt nicht.«
Es war ihm jetzt völlig gleichgültig, was die Leute von ihm dachten. Er wollte mit dieser Sache nichts mehr zu tun haben. Wie eine heiße Kohle ließ er die Pistole fallen, die er noch immer in der Hand gehalten hatte. Anschließend tauchte er eilig in den Reihen der Zuschauer unter.
Zorn spiegelte sich in den Zügen des weißgewandeten Priesters wider.
»Wohldenn, ihr Ungläubigen, ich selbst werde euch zeigen, daß die Tochter des Lichts unter dem Schutz des Großen Geistes steht. Öffnet eure Augen und seht!«
Mit diesen Worten trat er auf das Mädchen zu. Weit bog sich sein Arm zurück. Die Klinge blitzte im Sonnenlicht. Dann stieß er blitzschnell und wuchtig zu. Tief bohrte sich der Stahl in die Brust der jungen Frau.
Ein vielstimmiger Aufschrei erklang aus der Menge. Jedermann wußte, daß die Zeit der Tricks jetzt vorbei war. Dieses Messer war kein Theaterdolch. Dieses Messer war eine tödliche, mörderische Waffe.
Der Priester sprang zur Seite. Ohne das Messer, denn dieses steckte bis zum Heft im Körper der jungen Frau.
Marcel und all die anderen konnten es nicht glauben. Gleich, gleich würde sie fallen! Ohne jeden Zweifel hatte ihr der Dolch das Herz durchbohrt.
Aber nichts dergleichen geschah. Unerschütterlich stand die Tochter des Lichts da und lächelte.
Die Menge hielt den Atem an, als das Mädchen die rechte Hand zur Brust führte, den Dolchgriff umklammerte und das Messer fast spielerisch aus der normalerweise todbringenden Wunde zog.
Hoch hielt die junge Frau das Messer in die Luft. Kein Blutstropfen war daran zu erkennen.
Ungläubig starrte Marcel de Marteau Messer und Mädchen an.
Das gab es doch nicht. Das durfte doch gar nicht wahr sein…
Und es war doch wahr. Er und alle, die Zeuge der Demonstration geworden waren, hatten ein Wunder gesehen.
Der Priester des Lichts ergriff wieder die Initiative. Triumphierend blickte er die wie erstarrt dastehenden Zuschauer an.
»Glaubt ihr mir nun? Seid ihr jetzt von der Macht des Großen Geistes überzeugt? Diejenigen, die unter seinem Schutz stehen, haben nichts zu befürchten. Keine Macht der Erde kann ihnen etwas
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