0074 - Söldner des Teufels
Banque de Lille in Versailles. Die Verbrecher gingen äußerst rücksichtslos vor. Ein Bankbeamter wurde getötet, ein zweiter schwer verletzt. Obgleich die Polizei sofort zur Stelle war, gelang es den Gangster, mit einer Beute von fast 1 Million Franc zu entkommen. Zwei Polizisten mußten mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Einer von ihnen ist in den Abendstunden seinen Verletzungen erlegen. Augenzeugen wollen in den Tätern Angehörige der Sekte ›Kinder des Lichts‹ erkannt haben. Die Pariser Zentrale dieser berüchtigten religiösen Vereinigung bestritt jedoch jede Schuld und vertrat die Ansicht, daß sie für die Verirrungen einzelner Gruppenangehöriger nicht verantwortlich sei.
Mein Gott, dachte Nicole. Diese Sekte war eine Mörderbande. Und der Chef befand sich auf dem Weg in die Zentrale dieser Verbrecher.
Sie kannte ihn, wußte, daß er recht massiv werden würde, wenn man den Versuch unternahm, ihn an der Nase herumzuführen. Und wer wußte schon, wie die Sektierer reagieren würden, wenn er ihnen hart auf den Zahn fühlte?
Mörder!
Vielleicht brachten sie ihn sogar um, wenn sie sich nicht mehr anders zu helfen wußten.
Was konnte sie tun, um mögliches Unheil von ihm abzuwenden?
Sie mußte ihn warnen, mußte ihn davon in Kenntnis setzen, daß er es mit einer zu allem entschlossenen, rücksichtslosen Mörderbande zu tun hatte.
Aber wie?
Ihm nachfahren? Aussichtslos – sein Vorsprung war viel zu groß.
Vielleicht war er mittlerweile längst da.
Dann kam ihr ein Gedanke. Telefonieren! Wenn sie in der Höhle des Löwen anrief und ganz unschuldig tat…
Sie hielt sich nicht lange mit weiteren Überlegungen auf. Spontan verließ sie den Frühstückstisch, eilte zur Rezeption und ließ sich ein Telefonbuch geben. Hoffentlich verfügte die unselige Sekte über einen Anschluß.
Die Kinder des Lichts hatten Telefon. Nicole notierte sich die Nummer auf einer Serviette und verschwand in einer hoteleigenen Telefonzelle.
Mit leicht zitternden Fingern wählte sie. Sie brauchte nur ein paarmal durchläuten zu lassen. Dann meldete sich eine nicht einmal unfreundlich klingende Männerstimme. »Kinder des Lichts?«
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Nicole beherrscht. »Ich suche Herrn Professor Zamorra.«
»Jemanden, der diesen Namen trägt, können Sie bei uns nicht finden«, wurde ihr beschieden.
»Normalerweise wohl nicht. Monsieur Zamorra befindet sich auf dem Wege zu ihnen, um eines Ihrer… Kinder zu sprechen – Marcel de Marteau. Die Angelegenheit hat sich aber inzwischen so gut wie erledigt. Wenn er kommt, würden Sie ihm dann bitte sagen, daß er sofort im Hotel Roi anrufen und sich bei seiner Sekretärin melden soll?«
»Professor Zamorra?« kam es nach einigem Zögern zurück.
Nicole bejahte. »Ist er vielleicht schon da?« fragte sie dann.
»Nein. Wenn er kommt, werden wir ihn unterrichten.«
Es klickte in der Leitung. Nicole konnte jetzt nur hoffen, daß Zamorra wirklich anrief, damit sie ihn warnen konnte.
***
Der Mann, der Zamorra öffnete und mit bösen Blicken musterte, war eingehüllt in ein irgendwie absurd aussehendes weißes, faltenreiches Gewand. Er war klein und gedrungen und machte den Eindruck eines ausgesprochenen Finsterlings. Trotz seines weißen Umhangs.
»Was wollen Sie?« herrschte er den Professor brüsk an. Und ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, fuhr er fort: »Sie sind sich wohl bewußt, daß Sie widerrechtlich in den Tempelbezirk eingedrungen sind. Ich rate Ihnen, auf dem schnellsten Weg wieder zu gehen. Anderenfalls sehe ich mich gezwungen, Sie hinauswerfen zu lassen.«
Ein ausgesprochen netter Mensch, fand Zamorra. Kinder des Lichts – wenn diese Verhaltensweise typisch war für die Sektierer, dann konnte man über ihre Namensgebung nur staunen.
»Interessiert es Sie nicht, warum ich gekommen bin?« fragte er den Mann.
»Nein!« sagte dieser kategorisch.
»Und wenn ich nun ein Kind des Lichts werden möchte?« hielt ihm der Professor einen Köder hin.
Der Sektenmensch biß nicht an.
»Menschen wie Sie haben keinen Platz in unserer Gemeinschaft«, erklärte er entschieden. »Und nun… Wenn Sie endlich wieder gehen würden?«
Zamorra kam zur Sache. »Ich will Marcel de Marteau sprechen«, verlangte er mit harter Stimme.
»Hier gibt es niemanden, der diesen Namen trägt.«
»Marcel ist vor vierzehn Tagen Ihrem Verein beigetreten. Denken Sie gefälligst nach. Sein Name lautet Marcel de
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