Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß

0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß

Titel: 0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir hetzten den Kobalt-Boß
Vom Netzwerk:
Wirklichkeit sieht anders aus. Erstens ist so eine Röhre glatt und feucht, zweitens ist sie ein prachtvoller Resonanzkörper. Man braucht bloß mit der Fußspitze anzutippen, und sie tönt wie ein Gong.
    An dem Rohr hinaufzuklettern schien mir nicht sehr verheißungsvoll, runter schon eher.
    Die zweite und dritte Etage hatten einen schmalen Blechsims, ebenso wie die erste. Rechts am Eck des Hauses entdeckte ich eine Feuerleiter.
    Diese Leiter kam mir wie ein Geschenk des Himmels vor. Sie war wohl steil und schmal, aber das machte nichts. Unter den Gummisohlen meiner Schuhe gaben die Eisenstufen kein Geräusch von sich. Oben war die Nottür natürlich verschlossen, vermutlich von innen abgeriegelt.
    Ich bin kein Akrobat und stand trotzdem einige Minuten später am Sims der ersten Etage. Mich vorsichtig weiterschiebend, indem ich mich an den Fensterbrüstungen festklammerte, gelangte ich zu dem erleuchteten Fenster.
    Von hier aus konnte ich schön die Regenrinne erreichen, ein prächtiger Rückzugsweg, falls Gefahr drohte.
    Das Glück zeigte sich noch großzügiger: Der erhoffte Spalt war zwar nicht da, aber eine Fensterscheibe war sogar etwas hochgeschoben. Ich konnte nicht nur sehen, was in dem Raum vor sich ging, sondern auch hören, was gesprochen wurde. Ich war gerade zur rechten Zeit gekommen.
    Auf einer Couch lag der Mann mit der Hasenscharte. Er mußte Schmerzen haben. »Wann kommt Abe mit dem Knochenflicker?« fragte er seine angebliche Schwester.
    »Geduld, Camille, sie müssen jeden Augenblick kommen!«
    Da war schon der Beweis, nach dem ich suchte! Ich hatte es gar nicht mehr nötig, mir den Burschen mit der Hasenscharte genauer zu betrachten. Der »Kobalt-Boß« Camille Croughs, entsprungen aus einem Brüsseler Zuchthaus — dort lag er!
    Es klingelte.
    Die Frau eilte nach unten und öffnete die Haustür. Wenig später führten der Vormann Abe und Helen Baran einen schmächtigen Mann ins Zimmer, der eine Binde um die Augen trug. Seine Hände waren gefesselt. Abe trug ein Köfferchen.
    Die Baran stieg auf einen Stuhl und umhüllte die Lampe mit einem dichten Tuch. Nur auf Camille Croughs fiel ein Lichtschein, während alles andere in tiefem Schatten lag.
    Ich begriff sofort: Der Doktor würde später der Polizei nur sagen können, daß man ihn in eine Limousine geschleppt, die Augen verbunden und in ein Zimmer gebracht habe.
    Bevor ihm Fesseln und Binde abgenommen wurden, verbargen Croughs, seine Geliebte und Abe ihre Gesichter hinter schwarzen Masken.
    Der Arzt blinzelte und holte eine Brille aus der Tasche. »Na, schön«, sagte er ruhig, »ich werde mir den Patienten mal ansehen. Warum eigentlich diese Geheimniskrämerei?«
    »Wir wünschen nicht, daß Sie uns und das Haus später wiedererkennen, Doc«, antwortete Helen Baran mit verstellter Stimme. »Fragen Sie nicht nach den Gründen! Ihr Honorar ist Ihnen sicher.« Der Arzt wandte sich wortlos dem Kranken zu. Dann deutete er auf eine angebrochene Flasche Whisky. »Wieviel haben Sie in der letzten halben Stunde davon getrunken?« fragte er.
    »Drei oder vier Schluck. Wieso? Ist das nicht gut?« brummte Croughs.
    »Vielleicht schadet es nichts«. Der Arzt beugte sich vor und starrte sekundenlang in Croughs Augen. Dann untersuchte er die Wunde. Sich aufrichtend, sagte er: »Ich brauche kochendheißes Wasser und einen Tisch. Außerdem eine helle Lampe. Die an der Decke ist nicht hell genug.«
    »Der Tisch hier läßt sich ausziehen«, meinte die Baran unter ihrer Maske und gab Abe einen Wink. »Heißes Wasser werde ich sofort holen.«
    Der Doktor und Abe wollten den Patienten auf den Tisch legen, doch dieser weigerte sich. »Ich habe im Stehen geschossen und bekam im Stehen eine Kugel verpaßt, ich will auch im Stehen verarztet werden.«
    »Wie Sie wollen«, meinte der Doktor achselzuckend. »Aber wenn Sie umkippen, kann es für Sie übel ausgehen.«
    Croughs steckte sich eine Zigarette an und schien unter seiner Maske zu grinsen. »Ich bin nämlich zäh. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich könnte schlappmachen«.
    »Um so besser«.
    Der Arzt holte eine Spritze aus seinem Köfferchen. »Ich mache Ihnen erst eine Penicillin-Injektion.«
    »Okay.«
    »Steht es sehr schlimm?« fragte die inzwischen wieder hereingekommene Baran.
    »Das kann ich erst sagen, wenn ich den Blutdruck gemessen habe.« Der Arzt wandte sich an Croughs: »Haben Sie Blut gehustet?« , »Nein.«
    »Das ist gut. Vermutlich hat die Kugel nur den Brustmuskel durchschlagen und ist an

Weitere Kostenlose Bücher