0086 - Gangster, Banken und ein G-man
Fünf Minuten später lagen sie auf meinem Schreibtisch.
Dieser Riccioni schien ein winziger Fisch zu sein, nicht nur körperlich. Seine Laufbahn bestand aus einer Reihe von Taschendiebstählen, bei denen er in schöner Regelmäßigkeit gefasst wurde und zu Gefängnisstrafen verdonnert wurde, die jeweils um einige Monate anwuchsen.
Prociewcz hatte er im Gefängnis kennengelernt, und es sah so aus, als hätte er mit hündischer Freundschaft an dem Stärkeren und Brutaleren gehangen. Jedenfalls schien er seine Taschendiebstähle aufgegeben zu haben, denn in seinem Strafregister klaffte eine große Lücke.
Ich beschloss, mir Carl Riccioni anzusehen. Ich teilte es Phil mit und fragte ihn, ob er mitkommen wolle.
»Wenn es nicht notwendig ist, bleibe ich hier. Dawns Story ist spannend wie ein Roman, Jerry. Scheint tatsächlich so, als wäre er über eine Frau gestolpert.«
Um die Wahrheit zu sagen, so interessierte mich im Augenblick der kleine Taschendieb mehr als der gestürzte G-man, aber Phil hat eine romantische Ader, und er beschäftigt sich mit Vorliebe mit Fällen, in denen er irgendwie ein menschliches Drama wittert.
Ich fuhr also zur 79. Straße. Nummer 2265 war eine mächtige Mietskaserne, aber es war eines jener Häuser, in denen die Apartments eine Menge Dollar kosten. Ich hatte eigentlich erwartet, Prociewcz’ Wohnung in einem jener schmutzigen Häuser der Jahrhundertwende zu finden, in denen Leute seines Schlages sich wohlfühlen. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl in den dreiundzwanzigsten Stock, marschierte einen Flur entlang und stoppte vor einer Tür, an der eine einfache Karte mit dem handgeschriebenen Namen Stanie Prociewcz angeheftet war.
Ich läutete, aber niemand öffnete. Ich bearbeitete den Klingelknopf lange, aber ohne jeden Erfolg. Ich bückte mich und presste das Auge an das Schlüsselloch.
Sehr groß war das Blickfeld nicht, aber in dieses Blickfeld hinein ragten die Stiefel eines Mannes, deren Spitzen auf eine eindeutige und starre Weise nach oben wiesen.
***
Ich fuhr in das Parterre hinunter, ging in die Hausmeisterwohnung und rief unseren Mordeinsatzdienst an. Sie kamen mit zwei Fahrzeugen, dem Arzt und den notwendigen Geräten.
Die Tür zu der Wohnung wurde aufgebrochen.
Carl Riccioni, ein kleiner, kugeliger Mann mit welligem, schwarzem, schon stark gelichtetem Haar lag auf dem Rücken. Das Blut rings um ihn war eingetrocknet, und der Zustand der Leiche bewies, dass er schon mehrere Tage tot sein musste. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass er kurze Zeit später erstochen worden war, nachdem sein Freund Prociewcz von der Kugel eines Bankangestellten getötet wurde.
Die Mörder des kleinen Taschendiebes hatten alle Schubladen und Schränke durchwühlt. Wäsche und Kleidungsstücke lagen auf dem Boden. Selbst den Eisschrank in der Küche hatte man untersucht.
»Ein Raubmord?«, fragte Rolfs, der in unserer Mordkommission die Spurensicherung leitet.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ein Mord, um eine Spur zu verwischen. Sein Freund«, ich zeigte auf den Toten, »wurde bei dem Überfall auf die South Indian Bank in New Jersey erschossen. Die Leute im Hintergrund fürchteten, wir könnten Riccioni entdecken und über ihn weiterkommen. Sie machten ihn zur Vorsicht stumm.«
Rolfs reckte die Arme. »Dann wollen wir beweisen, dass es ihnen nichts nützt.«
Ich lächelte ein wenig. Ted Rolfs ist der beste Spurensicherer, den es gibt, und er ist von einem unheilbaren Optimismus beseelt.
Natürlich versuchte ich, das eine'oder andere herauszubekommen. Ich sprach mit den Mietern der Nebenwohnungen. Ich suchte, jemanden zu finden, der Riccionis Gewohnheiten gekannt hatte. Ich lief die Geschäfte in der Nachbarschaft ab, in denen er eingekauft hatte. - Das alles war umständlich, langweilig und brachte nicht sehr viel ein. - Aus allen Aussagen ergab sich nur das Bild eines durchweg fröhlichen, dicken kleinen Mannes, der eine Vorliebe für italienische Gerichte besaß, gern selbst kochte und ständig seine Lieder pfiff.
Die Nachforschungen nahmen den ganzen Tag bis in den Abend hinein in Anspruch. Der technische Dienst hielt sich ebenso lange in der Wohnung auf. Als ich schon in der Dunkelheit dorthin zurückkam, ließ selbst Ted Rolfs die Ohren hängen.
»Ich habe eine Menge Zeug für dich zusammengetragen, Cotton«, sagte er, »aber ich glaube nicht, dass es irgendeinen Wert hat.«
»Wie lange ist er tot, Doc?«, fragte ich unseren Arzt.
»Vier Tage!«
Es stimmte. Vor vier Tagen war
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