0086 - Gangster, Banken und ein G-man
der Chef sein könnte, denn der Schiefe stolperte auf eine Art hinter ihm her, die mir verdammt unterwürfig vorkam.
Ich ließ noch einmal zehn Minuten verstreichen. Dann trat ich die Zigarette aus, probierte den lockeren Sitz der Automatic und steuerte in die Bar hinein.
Im Innern entpuppte sich Hawaii Beach als ein Unternehmen sechsten Ranges. Einige Neger mit ihren dunklen Girls saßen in den Nischen. Der Kellner trug zwar einen Frack, aber sein Gesicht war so dunkel, dass man zweimal hinsehen musste, um festzustellen, ob er überhaupt einen Kopf besaß. Die Musik wurde von einer Box bestritten.
Shoeshines weißen Pullover entdeckte ich an der Bar. Er hatte seinen Oberkörper über die Theke gebeugt und schäkerte mit dem Mädchen dahinter.
Den letzten Tisch an der Stirnwand des Raumes hielten Fun MacLean, Bert Castro und die beiden Neuankömmlinge besetzt. MacLean sah mich zuerst, und er öffnete den Mund, aber in diesem Augenblick war ich schon an den Tisch herangekommen.
»Hallo«, sagte ich friedlich. Dann wandte ich mich an den Mann, der mit dem Schiefen gekommen war.
»Ich bin Cerryl Dawn. Ich nehme an, dass du am meisten in diesem Verein zu sagen hast.«
Er besaß das Gesicht eines südamerikanischen Banditenführers, ein scharfes, eigentlich gut geschnittenes Gesicht. Nur seine Augen standen klein, stechend und dunkel nahe beieinander.
Er schob sich langsam von seinem Stuhl hoch. Er war nicht kleiner als ich. Ich schätzte ihn auf ein gutes Halbschwergewicht.
»Warum kommst du her?«, fragte er.
»Deine intelligenten Freunde liefen so gemütlich vor mir her, dass ich dachte, sie gingen in irgendeinen Nachtklub, in dem etwas los sei. Ich hatte auch das Bedürfnis nach ein wenig Spaß, und so latschte ich ihnen nach. - Vergiss nicht, ich bin fremd in New York.«
Seine Augen bohrten sich in meine.
»Du bist gefährlich wie alle diese G-men. Man sollte dich…«
»Shut up«, pfiff ich ihn an. »Ich bin kein G-man mehr, und mir tut’s verdammt leid, dass ich je einer war.«
Er blieb misstrauisch.
»Der Henker mag wissen, welche Tricks ihr euch ausdenkt«, sagte er leise. »Es war leichtsinnig von dir, herzukommen. Ich glaube, es ist richtig, wenn wir dich durch die Mangel drehen. Shoeshine besorgt so etwas meisterhaft.«
Ich behielt die Ruhe, obwohl ich spürte, dass es ihm mit Seiner Drohung ernst war.
»Mich durch die Mangel zu drehen, hätte nur Sinn, wenn ich tatsächlich noch für das FBI arbeitete. In diesem Fall aber wäre ich nicht allein gekommen, sondern ein halbes Dutzend G-men wartete noch vor der Tür. Glaubst du, dass es deinem Shoeshine, dir selbst und deinen Freunden dann gut bekommen würde, mich unfreundlich zu behandeln? Arbeite ich aber nicht mehr für das FBI, dann hat es überhaupt keinen Sinn, auf mir herumzuschlagen.«
Ich nahm das nächststehende Glas, bediente mich aus einer Flasche, die auf dem Tisch stand, und schüttete den Drink ruhig herunter.
»Abgesehen von all diesen Überlegungen«, sagte ich beim Absetzen, »garantiere ich dir für einen mörderischen Tanz, wenn ihr es mit mir auf die falsche Tour versuchen wollt. Dein Shoeshine ist zwar ein Bulle, aber auch er dürfte gegen eine Kugel nicht unempfindlich sein.«
»Du bist verdammt frech«, sagte er. »Verdammt frech.«
»Hugh Reis sagte mir, solche Leute könntet ihr brauchen.«
Er starrte eine halbe Minute lang vor sich auf die Tischplatte, dann schrie er Bert Castro und Fun MacLean an: »Schert euch an die Bar! Trinkt dort einen Schluck! Meinetwegen auf meine Rechnung!«
Die Eleganten erhoben sich gehorsam und eilig.
Der Mann mit dem Räubergesicht wandte den Kopf wieder mir zu, und jetzt lachte er mich an.
»Ernsthaftes kann man nur unter ernsthaften Männern besprechen.«
Ich zeigte auf den Schiefen.
»Ist er ernst zu nehmen?«
»Greg hat ein helles Köpfchen.«
Ich erfuhr ihre Namen. Der Mann, der hier den Chef spielte, hieß Sley Mertric. Greg Found, der Bursche mit der schiefen Schulter, galt als sein Sekretär und Vertrauter.
»Du warst also ein G-man?«, fragte Mertric. »Das stimmt?«
»Ja, das stimmt. Sie warfen mich hinaus. Aber warum soll ich dir die Geschichte noch einmal erzählen. Reis hat sie am Telefon von sich gegeben. Ich war selbst dabei, als er mit dir telefonierte.«
»Er telefonierte nicht mit mir, sondern mit dem Chef.«
»Ach, du bist nicht der Chef«, sagte ich enttäuscht und stand auf. »Dann brauchen wir gar nicht weiter miteinander zu reden.«
Er fasste meinen
Weitere Kostenlose Bücher