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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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Annabelle.
    „Ich will ihn ja gar nicht verwüsten", gab Simon beleidigt zurück.
    „Ich würde auch gern mitkommen." Charlotte betrachtete Jack mit ernstem Blick.
    „Die Leute starren mich immer an, wenn ich vorübergehe, und das könnte ihre Aufmerksamkeit von dir ablenken."
    „Ich möchte nicht, dass die Leute dich anglotzen", brummte Jack, erbost über die Vorstellung.
    „Es wird mir nichts ausmachen, Jack", versicherte sie ihm mit leiser Stimme, „wenn ich weiß, dass ich Genevieve damit helfen kann."
    „Ich will nicht ausgeschlossen werden", jammerte Jamie. „Kann ich nicht auch mithelfen, Jack?"
    Jack guckte in die bittenden Gesichter, die ihn im Halbkreis umringten.
    Seine erste Regung war, ihnen zu sagen, sie seien zu jung, um ihn zu begleiten. Doch er selbst hatte sich allein durchs Leben geschlagen, seit er neun war, nur ein Jahr älter als Jamie. Damals hatte er erkannt, dass seine Mutter ihr Versprechen nie wahr machen würde, ihn aus dem höllischen Dasein zu erlösen, das er bei dem bösen Ehepaar führte, in dessen Obhut sie ihn kurz nach seiner Geburt gegeben hatte. Mit der Zeit waren ihre kurzen Besuche immer seltener geworden, doch wenn sie erschien, kam sie ihm wie ein warmer Sonnenstrahl in seinem ansonsten kalten, elenden Leben vor. Eine dicke Schicht Puder und Wangenrot im Gesicht, den üppigen Leib in zu enge Korsetts und verblichene, tief ausgeschnittene Kleider gezwängt, die einen großzügigen Blick auf ihre prallen weißen Rundungen gewährten, erschien sie Jack stets unerträglich weich, zärtlich und fremdartig. Sie strich mit den Fingern durch sein Haar und drückte ihn an sich, während er ihren geheimnisvoll süßen Geruch einatmete, ein Duft, der ihn an Blumen und Honig erinnerte, der sich später jedoch als billiger Whisky entpuppte. Es dauert nicht mehr lange, mein süßer Junge, pflegte sie ihm zu versichern. Nur noch ein Weilchen, dann habe ich genug gespart, um uns beiden ein hübsches kleines Häuschen zu kaufen.
    Sobald sie fort war, begann der Alte zu trinken und Jack zu verprügeln, bis er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Seine Mutter sei nichts als eine versoffene Hure und er könne es sich nicht länger leisten, ihren kleinen Bankert durchzufüttern. Schließlich hörten ihre Besuche auf, und die Misshandlungen nahmen zu, bis eines Tages etwas in Jack zerbrach und er beschloss, sich zu wehren ... mit einer Eisenschaufel.
    An jenem Tag lief er davon, nicht sicher, ob er zum Mörder geworden war oder nicht.
    Jack war es gewohnt, sich allein durchzuschlagen. Doch sein Einzelgängertum hatte sich jüngst als verhängnisvoll erwiesen und dazu geführt, dass er verhaftet worden und im Gefängnis von Inveraray gelandet war. Bei diesem besonderen Vorhaben mochten Komplizen durchaus von Vorteil sein. Sie würden ein wachsames Auge auf den Ladenbesitzer haben, und falls etwas schief ging, könnten sie ihn ablenken, so wie Annabelle es vorgeschlagen hatte.
    „Also gut", gab er schließlich nach. „Ihr könnt alle mithelfen. Doch ihr müsst genau tun, was ich euch sage. Ist das klar?"
    Die kleine Bande von Möchtegern-Dieben nickte feierlich.

6. KAPITEL
    Schnee fiel in dicken Flocken auf die schwarzen Dächer und die Straßen aus Kopfsteinpflaster und überzog Inveraray mit einer luftigen weißen Haube. Er wirbelte über die grauen, unruhigen Wasser von Loch Fyne, tanzte in der kalten Luft, bevor er das eisige Wasser erreichte, um sich darin aufzulösen. Er sammelte sich in lockeren weißen Schichten auf den eleganten Hüten der durch die Straßen eilenden Herrschaften, so dass es aussah, als trügen sie riesige Sahnetorten auf ihren Köpfen spazieren.
    Jack trat von einem Fuß auf den anderen, um sich aufzuwärmen, doch vergeblich.
    Die Stiefel, die Genevieve ihm gegeben hatte, waren viel zu groß. Der Schnee drang durch das abgetragene Leder und durchnässte seine Strümpfe. Gewiss hat ihr früherer Besitzer nicht lange im kalten Schnee herumstehen müssen, dachte Jack verdrossen.
    Es wäre ihm lieber gewesen, den Diebstahl nicht an einem so elenden Tag durchzuführen.
    Frischer Schnee hatte den entschiedenen Nachteil, Fußspuren sichtbar zu machen, was bei einer Flucht äußerst ungünstig war. Außerdem gingen bei diesem Wetter weniger Leute einkaufen, so dass er nicht so gut in der Menschenmenge untertauchen konnte, sobald die Schmuckstücke sicher in seiner Tasche lagen. Doch leider ließ sich ihr Vorhaben nicht länger aufschieben. Simon zufolge hatte

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