009 - Der Engel von Inveraray
ahnte, dass dies nicht der einzige Grund für sein Verhalten gewesen war. Die Erinnerung an seine zarte Tochter Emmaline und sein schmähliches Versagen als Vater hatte ebenfalls eine bedeutende Rolle gespielt. Doch das konnte er Genevieve gegenüber niemals zugeben. Sie wirkte so rein und gut und selbstlos auf ihn, dass er sich kaum die Verachtung vorzustellen vermochte, die sie für ihn empfinden würde, wenn sie von seinem eigensüchtigen, feigen Verhalten erführe.
Sie stand da, blickte ihn an und wartete. Doch er hatte kein Verlangen danach, ihr seine verborgensten Geheimnisse und Fehler zu offenbaren. Sie sollte ihn für fähig halten, aus reiner Nächstenliebe zu handeln. Abgesehen davon gab es nur noch eine Erklärung für sein Tun, und sie schien so unglaublich einfach und zugleich so kompliziert, dass Haydon sie sich kaum selbst einzugestehen wagte. Und doch konnte er die Erkenntnis nicht länger zurückhalten und sie weder unter der bedrückenden Last seiner Vergangenheit noch unter dem, was ihm noch an Zukunft vergönnt war, begraben.
„Ich habe es für Sie getan, Genevieve."
Ihre Augen weiteten sich. Dann wartete sie darauf, dass er es erläuterte, dass er erklärte, er habe es getan, weil er sich ihr gegenüber verpflichtet fühlte, dass er ihr etwas schuldig war für all die Gefahren, die sie um seinetwillen auf sich genommen hatte, und dass er seine Rechnung nun beglichen habe und sie sich als freie Menschen trennen konnten.
Er sagte nichts dergleichen.
Sein Schweigen riss den Schutzwall nieder, den sie so sorgfältig um sich herum errichtet hatte. Haydon stand einfach nur da, stark und gleichzeitig auf seltsame Weise verwundbar. Es war, als habe er ihr einen lange verborgenen Teil seiner Seele offenbart und wartete nun, ob sie darauf herumtrampeln oder behutsam damit umgehen würde.
Ein verzweifeltes Verlangen ergriff sie, eine unbändige Sehnsucht, von ihm umarmt, geküsst und liebkost zu werden, sich seiner Kraft und seiner Leidenschaft zu unterwerfen. Mit einem Mal wurde sie sich der Zartheit ihres Nachthemds, der kühlen Luft an ihren nackten Beinen und der kalten Dielen unter ihren Füßen bewusst ... und der Verheißung seiner warmen Haut. Mehr als acht Jahre lang war sie von Menschen umgeben gewesen, die sie brauchten, Kinder und Erwachsene, die darauf angewiesen waren, dass sie für sie sorgte, ihnen zeigte, wie man stark war und sich gegen eine Welt zur Wehr setzte, die entschlossen schien, sie zu zermalmen. Doch bis zu diesem Augenblick, als sie in Haydons Herz blickte, hatte sie nicht erkannt, wie entsetzlich allein und verängstigt sie gewesen war. Und plötzlich konnte sie es keine Sekunde länger ertragen.
Sie schluchzte leise auf, lief zu ihm, schlang die Arme um seinen Nacken und drückte die Lippen auf seinen Mund.
Haydon stöhnte und zog ihren schlanken Körper an sich. Die Decke, die er um die Hüften gewickelt hatte, rutschte zu
Boden. Nackt drückte er sich an Genevieve, bis an den Rand des Wahnsinns erregt durch die sanfte Liebkosung der Wolldecke, die an ihrem Körper hinabglitt. Ihr dünnes Schultertuch folgte, bis sie nur noch mit dem zarten Leinennachthemd bekleidet war, das trotz seiner Schlichtheit atemberaubend sinnlich auf Haydon wirkte. Er begann, an den Knöpfen zu nesteln, während er Genevieve leidenschaftlich küsste, war jedoch so erregt, dass seine Finger ihm nicht recht gehorchen wollten. Mit einem ungeduldigen Stöhnen zerriss er den zarten Stoff und entblößte ihre seidige, kühle Haut. Das Nachthemd glitt zu Boden, und sie standen beide nackt im warmen, flackernden Kerzenschein.
„Genevieve", murmelte er, die Stimme rau vor ehrfürchtiger Bewunderung.
Er hob sie hoch und genoss das Gefühl, wie sich ihr weicher Leib an seinen muskulösen Körper schmiegte. Dann küsste er sie verlangend und legte sie auf das schmale Bett. Ihr Haar flutete in prächtigen rotgoldenen Wellen über das Kopfkissen, ihre Haut schimmerte zart. Er beugte sich über sie, bedeckte ihren Körper mit dem seinen und vergrub die Hände in ihrem Haar, während er mit der Zunge die verborgenen Tiefen ihres Mundes erkundete. Sie war alles zugleich: weiche Haut und straffe Rundungen, Feuer und Eis, und er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen.
Seine Hände wanderten über ihr milchweißes Fleisch, berührten jeden Zentimeter, während er die Zunge über die Elfenbeinsäule ihres Halses gleiten ließ, dann über ihre zarten Schlüsselbeine bis hinab zu den üppigen Hügeln
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